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⇒ Tenor dieses Blogs: In der Seefahrt kommt das große Umdenken. Bald schon wer­den besatzungslose Schiffe über die Meere schip­pern. Zuvor müssen aber noch juris­tis­che Hür­den gek­lärt wer­den.

Von Wolf Achim Wie­gand

Ham­burg (waw) – „Nimm mich mit Kapitän auf die Reise,“ schmachtete Sänger Hans Albers 1952 im gle­ich­nami­gen Film, „nimm uns mit in die weite, weite Welt!“ Ein Wun­sch, den Men­schen mit verk­lärter Sicht auf die Seefahrt noch heute befällt. Allerd­ings: den stolzen Kapitän, die schmuck­en Schiff­sof­fiziere und kräftige Matrosen wird es wohl nicht mehr lange geben.

Mit der Ein­führung besatzungslos­er Schiffe ste­ht der Seefahrt ein Quan­ten­sprung bevor: Wasser­fahrzeuge wer­den kün­ftig wie Geis­ter­schiffe ohne jede men­schliche Seele an Bord durch die Ozeane gelenkt. Der Rech­n­er ist dann der Käpt’n. Überwacht wird die autonome Lenkung satel­litenges­teuert irgend­wo an Land tausende Kilo­me­ter ent­fer­nt vor einem Mon­i­tor.

Um min­destens 20% Betrieb­skosten lassen sich mit “intel­li­gen­ten Schif­f­en” die Betrieb­skosten eines Schiffes senken, kalkulieren Experten. „Schiffe ohne Besatzung sparen Per­son­al, Kraft­stoff und führen zu weniger Unfällen, es muss keine Besatzung, Unterkun­ft und Ver­sorgung­stech­nik einge­plant wer­den,“ heißt es beim Ham­burg­er Finanz­di­en­stleis­ters Ernst Russ AG. Zudem ent­falle beim Bau die platzraubende Kom­man­do­brücke und Schiff­spi­rat­en kön­nen keine Geiseln nehmen.

Europa ist ein Kraftzen­trum dieser Entwick­lun­gen. So hat sich Rolls-Royce mit der finnis­chen Wärt­silä-Werft zu einem Joint Ven­ture zusam­menge­tan, im Schlepp­tau mehrere Elek­tron­ikkonz­erne und Satel­liten­be­treiber. Sie wollen 2020 erste Pro­to­typen für mannschaft­slose Schlep­per und Fähren vom Stapel laufen lassen. „Eine weltweit bedeut­same Mark­tchance,“ meint Rolls-Royce-Präsi­dent Mikael Mäki­nen.

Auch in den Nieder­lan­den ist man am Ball. Die Uni­ver­sität für Tech­nolo­gie in Delft erforscht neue Schiffs­de­signs, angepasste Antriebe und smarte Nav­i­ga­tion­ssys­teme. Die Fakultät für Inge­nieur­swis­senschaften der Uni­ver­sität Por­to in Por­tu­gal hat sog­ar autonome Segelschiffe erforscht, die neben dem Wind auch die Sonne als Energiequelle nutzen – „ein effek­tives Tool für einen bre­it­en Anwen­dungs­bere­ich“, so eine Studie aus Por­to.

Doch die Nase vorn im europäis­chen Wet­t­lauf um die mar­itime Zukun­ft­stech­nolo­gie hat Nor­we­gen. Seit dem Herb­st 2016 gibt es am Trond­sheims­fjord die weltweit erste Test­strecke für autonome Frachtschiffe (Video). Die wenig befahre­nen Gewäss­er im hohen Nor­den sind ide­al, um live auszupro­bieren, wie vor­pro­gram­mierte Sen­soren, Soft­wares und Sys­teme funk­tion­ieren. „Wie bei Autos wird es beim mar­iti­men Trans­port zu mas­siv­en Neuerun­gen kom­men und viele davon wer­den aus Nor­we­gen kom­men,“ hofft Gard Ueland vom mar­iti­men Tech­nikun­ternehmen Kongs­berg.

Der Opti­mis­mus aus Nor­we­gen ist nicht unbe­grün­det. Schon bald wird dort „das weltweit erste vol­lelek­trische, autonome und abgas­freie Con­tain­er­schiff“ vom Stapel laufen. Bauherr ist das in Oslo sitzende Chemie­un­ternehmen Yara. Mit dem Frachter „Yara Birke­land“ will die Fir­ma ohne jede men­schliche Seele an Bord regelmäßig Düngemit­tel auf ein­er Strecke befördern, die bis­lang nur über Land mit jährlich 40.000 Lkw zu bewälti­gen ist. Die Reise soll nach begleit­eten Test­fahrten ab 2020 begin­nen.

Trotz des Entwick­lung­stem­pos gibt es auch Skep­sis. Christof Schwan­er vom Ver­band Deutsch­er Reed­er (VDR): „Ob sich selb­st­fahrende Schiffe am Ende wirtschaftlich lohnen wer­den, daran beste­hen derzeit noch erhe­bliche Zweifel.“ Den­noch glaubt laut PwC-Studie jede vierte befragte Führungskraft aus der mar­iti­men Wirtschaft, dass Schiffe bald ohne Mannschaft auskom­men wer­den. Das Fraun­hofer-Cen­ter für Mar­itime Logis­tik und Dien­stleis­tun­gen (CML) in Ham­burg forscht seit Jahren an der The­matik.

Während die Tech­nik bald beherrschbar sein dürfte, hinkt die juris­tis­che Seite hin­ter­her — wie häu­fig bei bedeut­samen Entwick­lun­gen. Das Prob­lem: die inter­na­tionalen Seefahrt­sregeln gehen nur von beman­nten Schif­f­en aus. Wie bei selb­st­fahren­den Autos stellen sich nun viele Fra­gen. Wer hat bei sys­tem­be­d­ingten Kol­li­sio­nen die Schuld? Wie wer­den unbe­man­nte Schiffe ver­sichert? Wer haftet bei Stre­it?

Den­noch: die „Geis­ter­schiffe“ wer­den kom­men. Das glaubt man auch beim dänis­chen Konz­ern Maer­sk, der größten Reed­erei der Welt. Fir­menchef Palle Laursen: “Die Automa­tisierung ermöglicht weit­ere Effizien­zsteigerun­gen bei den 630 Schif­f­en, die wir betreiben.” Let­ztlich bes­timmt Ökonomie in der Schiff­fahrt, nicht Roman­tik. Nur bei Kreuz­fahrten dürfte es den Kapitän noch eine ganze Zeit­lang geben, denn ein Robot­er als Gast­ge­ber beim Käpt’ns Din­ner ist nur schw­er vorstell­bar…