⇒ Der Tenor dieses Blogs ist: Nach dem Anschlag von Manchester ist erneut klar, dass Europa viele Jahre mit solchen Gräueltaten konfrontiert sein wird. Bisherige Angriffspunkte religiös verbrämter Killer waren in der Regel „weiche Ziele“, also Menschen. Doch es gibt ernst zunehmende Hinweise darauf, dass auch „harte Ziele“ im Visier sind – beispielsweise Schiffe.
Von Wolf Achim Wiegand
Hamburg (waw) – Der Terror gewaltbereiter Islamisten hat mit der Attacke auf die jugendlichen Besucher eines Popkonzerts in Manchester einen neuen Höhepunkt erreicht. Die Schreckensbilder aus Großbritannien drängen in den Hintergrund, dass sich Sicherheitsexperten nicht nur Sorgen um Massenmord an Menschen machen, sondern auch um vermeintlich „schwierige“ Ziele wie die internationale Handelsschifffahrt. Experten sind überzeugt: Terroristen nehmen Seeschiffe ins Visier, insbesondere Tanker, aber auch hochgerüstete Kriegsschiffe.
Schauplatz Großbritannien: nach Angaben der Londoner Zeitung Daily Mail, die von offizieller Stelle nicht kommentiert werden, überprüfen militärische Spezialtaucher seit einiger Zeit immer wieder in Großbritannien einlaufende Tankschiffe, die aus arabischen Häfen kommen. Grundlage sind offenbar Geheimdienstberichte, wonach Terroristen planen, schon im Abfahrthafen hochexplosive Haftminen unter Wasser an die Schiffswände zu „kleben“.
Haftminen sind relativ kleine Sprengsätze. Sie sind leicht zu befestigen, kosten nicht die Welt und können ein großes Loch in Stahlplatten reißen. Die Minen sollen – so der Bericht – zur Zündung gebracht werden, wenn das Schiff die Zielgewässer erreicht hat, eventuell schon im offenen Wasser kurz vor Erreichen des Hafens.
Im Visier sind der Daily Mail zufolge insbesondere Frachter für den Transport verflüssigten Erdgases (Flüssiggas / LNG). Der besonders schwefelarme Kraftstoff erlebt angesichts zunehmender Umweltschutzauflagen weltweit ein Hoch. Deshalb sind immer mehr Großschiffe unterwegs, um „hungrige“ LNG-Lager zu versorgen, die an Hafenterminals wie Pilze aus dem Boden schießen.
Kritiker sagen, die Explosion eines riesigen LNG-Transportschiffes könne enorme Folgen haben. So heißt es in einer Studie der staatlichen Sandia Laboratories im Auftrage der US-Regierung, die Explosion eines Tankschiffes könne durch das Austreten der tiefgekühlten Gaswolke im Umkreis von 500 Metern jedes Leben vernichten. Und die Schockwelle mit Feuerball könne bis im Umkreis von 1,6 km Brände auslösen.
Angesichts solcher Szenarien sinniert vermutlich nicht nur Großbritannien auf Prävention gegen absichtlich herbeigeführte LNG-Explosionen. Dazu sind laut Daily Mail Einheiten des britischen Special Boat Service (SBS) im Einsatz, einer maritimen Spezialeinheit der Royal Army für Unterwassereinsätze. Sie sichert beispielsweise Ölbohrinseln ab. Mit im Einsatz: die Fleet Diving Unit 1 (FDU1), das sind die Bombenentschärfer der Royal Navy.
Die britischen Elitesoldaten arbeiten in bis zu 60 Metern Wassertiefe und immer in Zweierpaaren. Um in der trüben Tiefe etwas an den bis zu 300 Meter langen Bordwänden zu sehen und zügig vorankommen zu können, nutzen die FDU1-Einheiten spezielle Scheinwerfer und bewegen sich mit propellergetriebenen Scootern vorwärts. Nicht nur im Hafen, sondern auch auf hoher See können die „Aquanauten“ inspizieren. Sie kommen dann per Hubschrauber oder via Fallschirm zu verdächtigen Schiffen.
Ein lohnendes Ziel terroristischer Angriffe sind aber auch Kriegsschiffe, insbesondere bei Auslandseinsätzen im Mittelmeer oder am Horn von Afrika. Dass gewaltbereite Extremisten effektiv gegen hochgerüstete Marinefahrzeuge vorgehen können, weiß man seit dem Jahr 2.000. Damals wurde der US-Zerstörer „USS Cole“ im Hafen von Aden, Jemen, von einer Bombe so schwer getroffen, dass ein neun mal zwölf Meter großes Loch in den Rumpf des massiven Kriegsschiffes gerissen wurde.
Durch die Detonation auf der „USS Cole“ starben 17 US-Soldaten. Weitere 39 Marineangehörige wurden teils schwer verletzt. Die Täter kamen unscheinbar daher gefahren – in einem kleinen Boot.
Der „Fall USS Cole“ wirkt bis heute als Trauma nach. Fachleute sagen, IS- oder Al-Kaida-Terroristen planten, so einen Anschlag zu wiederholen. Nicht jedoch gegen ein US-Kriegsschiff, sondern gegen einen ganz neuen Islamistenfeind: Russland.
Aktuellen Meldungen aus Istanbul zufolge fahren türkische Polizei und Küstenschutz immer dann Eskorte, wenn ein Schiff der Seekriegsflotte der Russischen Föderation durch den Bosporus navigiert. Das berichtet die als regierungsnah geltende Tageszeitung Haberturk.
Warum ausgerechnet der Bosporus als Aufmarschgebiet für Anschläge – und warum die Russlandflotte als Ziel? Die Gründe liegen auf der Hand. Einerseits verbindet die von der Türkei kontrollierte Meerenge das Schwarze mit dem Mittelmeer. Hier muss jedes russische Kriegsschiff durch, das nach Syrien will, dem neuen Putin-Verbündeten. Mit dem Einsatz für das Assad-Regime hat sich der Kreml erbitterte Feinde gemacht, die nun Vergeltung suchen.
Terroristen könnten in dem engen Sund leicht angreifen. Und zwar bequem vom Ufer des Bosporus aus. Langwaffen und tragbare Raketenwerfer genügen für eine Attacke, etwa auf Soldaten an Deck. Laut Haberturk hat die türkische Polizei 146 Küstenpunkte identifiziert, von denen aus das ohne weiteres möglich wäre.
Der erste Terroristenangriff gegen ein seegängiges Schiff ereignete sich übrigens schon im Jahre 1985. Damals entführten nur vier Palästinenser den italienischen Kreuzfahrer „Aquile Lauro“ im Mittelmeer. An Bord waren über tausend Personen, einen gelähmten jüdischen Rollstuhlfahrer erschossen die Kidnapper kaltblütig. Letztlich misslang der Plan aber. Die Schlagzeilen hatten die Extremisten dennoch.
Der schwerste Fall von Terror gegen Schiffe ereignete sich 2004 auf den Philippinen. Dort zündeten Abu Sayyaf-Rebellen eine Bombe auf der „Superferry 14“. 116 Menschen fielen dem Anschlag zum Opfer.
Sicherheitsexperten stehen also nicht erst seit heute weltweit in Habachtstellung. Zahlreiche Reedereien – aber eben nicht alle – ergreifen Schutzmaßnahmen über die nicht gesprochen wird. Manche nehmen bewaffnete Schutzleute in Zivil mit, die auch Piraten abwehren sollen. Gegen das Anbringen von Haftminen können die Bordwächter jedoch nicht das Geringste tun. Die Sorge, Extremisten könnten versuchen, einen ganzen Tanker ins Unglück zu reißen, ist nicht unbegründet.
Video über LNG-Gefahren: https://youtu.be/uBAgvXPw1aI
(Quelle: http://commonsensecanadian.ca)