⇒ Tenor dieses Blogs: Der Beitritt der NATO in die Kampfkoalition gegen die IS-Terroristen wirft Fragen auf. Hat sich die westliche Allianz vor dem Kurswechsel von den USA breitklopfen lassen? Eines ist klar: die Bundesregierung konnte sich mit ihrem bisherigen Nein nicht durchsetzen.
Von Wolf Achim Wiegand
Hamburg (waw) – Will man ein Schnitzel gleichmäßig braten, muss man das Fleisch vorher klopfen. Nur so wird es flach und gleichmäßig dick. Im Fall der NATO scheint das anders gelaufen zu sein: 27 Mitglieder der Verteidigungsallianz haben sich erstmal selbst geschlagen, um möglichst geschmeidig gegenüber dem 28. und wichtigsten Partner auszusehen, den Trump-USA.
Hatte es die NATO nämlich bislang vermieden, als Bündnis in den Anti-Terrorkampf hineingezogen zu werden, beschloss sie am Himmelfahrtstag genau Dieses. Zwar sind mit der Einreihung in die 69-Partner-Aktion gegen die Terroristenbande „Islamischer Staat“ (IS) keine direkten Kampfaktionen vorgesehen. Aber unter anderem sollen die Radarflugzeuge AWACS zu fliegenden Einsatzzentralen werden, also zentrale Aufgaben übernehmen.
Man mag das Kniefall vor dem nicht mehr ganz so neuen US-Präsidenten Donald J. Trump deuten. Es ist aber wohl eher eine elegante Strategie, um das Nörgeln aus Washington über mangelnde Leistungsbereitschaft der europäischen Alliierten abzuwürgen. Washington kann nun nicht mehr behaupten, die NATO sei „obsolet“, wo sie doch „ganz freiwillig“ eine zentrale Rolle im nahöstlichen Kampfszenario übernimmt.
Plattgemacht wurde indes die bisherige Strategie der Bundesregierung. Merkel, von der Leyen und Co wollten sich eigentlich raushalten aus der Anti-IS-Koalition. Ein Engagement der NATO werde die Brennpunkte im Irak und in Syrien nur anheizen und so heiß machen, dass der Weg zum Frieden nicht mehr beschritten werden könne, lautete die Berliner Sprachregelung. Zudem seien einige NATO-Staaten ja dort bereits aktiv und die NATO sei daher überflüssig. Dahinter steckt die Furcht, schleichend in Bodeneinsätze hineingezogen zu werden.
Nun gelten die Bedenken für Deutschland nicht mehr? Offiziell sind sie vom Tisch. Also werden die NATO und damit auch Deutschland im Nahen und Mittleren Osten eine weitaus stärkere Rolle spielen, als es der Bundesregierung bislang lieb war. Das freut übrigens Theresa May, die britische Gegenspielerin Merkels in Europa. Die „Iron Lady II.“ kann nun nach europäischer Dauerschelte wegen des Brexits gerade rechtzeitig zur bevorstehenden Unterhaus-Neuwahl laut „Victory!“ rufen. Großbritannien wollte die NATO schon immer engagiert sehen.
Das Verrückte ist, dass die NATO sich selbst und damit Deutschland mit der Beteiligung an der internationalen Anti-IS-Koalition in mehrere Bredouillen bringt. Einerseits müsste das westliche Bündnis wohl irgendwie mit der in Syrien mittlerweile tonangebenden und das Assad-Regime stützenden Militärmacht Russland kooperieren. Ausgerechnet also mit jener Macht, die der NATO auch an ihrer Ostgrenze erheblichen Kummer bereitet und deren Rolle beim Präsidentenwahlkampf in der Allianz-Vormacht USA ernste Fragen aufwirft. Zugleich hat es die NATO mit ihrem Mitglied Türkei zu tun, dessen Militär versucht, in Syrien die kurdische Miliz YPG auszulöschen – genau jene Rebellen also, die Washington unterstützt, obwohl Präsident Recep Tayyip Erdoğan sie als Erzfeinde einstuft.
Hat sich die NATO, hat sich damit auch Deutschland von US-Präsident Trump über Gebühr breitschlagen lassen? Warten wir es ab. Ob das geklopfte Schnitzel zu dünn geworden ist, das werden wir erst dann wissen, wenn es anbrennt. Zunächst gilt es für die NATO zu verhindern, dass aus dem Herdfeuer im Nahen und Mittleren Osten kein Flächenbrand wird. Das hängt auch davon ab, ob es der NATO politisch gelingt, die köchelnde Türkei und das zündelnde Russland auf Kurs Ablöschung zu bringen.