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⇒ Top­ic dieses Blogs: Auch nach der Brex­it-Rede von Flo­renz bleibt die britis­che Pre­mier­min­is­terin There­sa May zuhause angeschla­gen. In ihrer Regierung tobt ein har­ter Machtkampf wegen unter­schiedliche Vorstel­lun­gen über die Aus­trittsver­hand­lun­gen mit der EU. Beson­ders Außen­min­is­ter Boris John­son gilt als Wider­sach­er der Regierungschefin. Will er sie stürzen?

Brexit-Ballerei in 10 Downing Street — Boris schießt gegen Theresa  

Von Wolf Achim Wie­gand

Ham­burg (waw) – Kurz vor der ver­söhn­lich gemein­ten Brex­it-Rede von There­sa May hat er es wieder getan. Mit einem gezielt pub­lizierten Plan für harte Ver­hand­lun­gen mit der EU brachte Dauer­re­bell und Außen­min­is­ter Boris John­son die Pre­mier­min­is­terin Ihrer Majestät Queen Eliz­a­beth II. in arge Ver­legen­heit: keine Abgel­tungszahlun­gen an die EU, keine Aus­trittsüber­gangspe­ri­ode. Und über­haupt – wer mit der EU sym­pa­thisiere sei ein illoyaler Staats­bürg­er: “Viele der jun­gen Leute mit aufge­mal­ten zwölf EU-Ster­nen im Gesicht begin­nen geteilte Loy­al­itäten zu entwick­eln.

Die knall­harte Lin­ie John­sons ist das Gegen­teil dessen, was die Haush­er­rin von 10 Down­ing Street sym­bol­trächtig nicht in Lon­don, son­dern in Ital­ien verkün­dete. Es dürfte die Rede ihres Lebens gewe­sen sein und war nicht fürs heimis­che Pub­likum addressiert, son­dern an die EU27. May wollte damit die fest­ge­fahre­nen Gespräche der Briten mit EU-Unter­händler Michel Barnier auflock­ern.

In ihrer mit großer Span­nung erwarteten Flo­ren­z­er Rede ver­sprach May den Kon­ti­nen­taleu­ropäern den pünk­tlichen Aus­tritt im März 2019: „Wir wer­den wed­er Mit­glied des Bin­nen­mark­tes noch der Zol­lu­nion sein.“ Nach dem Brex­it sei Großbri­tan­nien zur Zahlung von 20 Mil­liar­den Euro an die EU bere­it, verteilt auf eine Über­gangspe­ri­ode von „etwa“ zwei Jahren. „Aber wir ver­lassen Europa nicht,“ sagte May beschwörend und bot der EU an, bei Vertei­di­gung, Sicher­heit und Außen­poli­tik strate­gisch weit­er zusam­men­zuar­beit­en. Über die heftig umstrit­tene Höhe fäl­liger Zahlun­gen Großbri­tan­niens an die EU sagte sie nichts, nur neb­ulös, dass man “alle Verpflich­tun­gen erfüllen” wolle. In Rede ste­hen 20 Mrd. Euro.

Aber die May’schen Beruhi­gungspillen für die EU dürften ihre  Kopf­schmerzen zu Hause nicht beseit­i­gen. Die „Britain first“ ‑Frak­tion wird kaum Ruhe geben. Ihr Anführer, der 53jährige John­son, gilt als der Paradiesvo­gel der britis­chen Poli­tik. Schon als Bürg­er­meis­ter von Lon­don set­zte der Mann mit dem wusche­li­gen blondgrauen Haarschopf gerne Quer­schläge gegen die eigene Kon­ser­v­a­tive Partei. Zulet­zt set­zte sich John­son pop­ulis­tisch an die Spitze der Brex­it-Bewe­gung, fiel so dem damals amtieren­den Pre­mier David Cameron in den Rück­en.

Dass There­sa May aus­gerech­net John­son zum Außen­min­is­ter machte, sollte den Sprin­gins­feld eigentlich ein­binden – doch das ist nur bed­ingt gelun­gen, wie man sieht. Sein schärf­ster Geg­n­er ist Schatzkan­zler Philip Ham­mond, der sich für einen möglichst geräuschlosen EU-Aus­tritt ein­set­zt (“soft Brex­it”). Auch Innen­min­is­terin Amber Rudd ste­ht zu May und rüf­felte John­son mit der Bemerkung, dieser steuere nicht die Brex­it-Ver­hand­lun­gen.

Hin­ter John­sons stets ungestüm auss­chauen­dem Vorge­hen steckt immer ein Plan: das Erk­lim­men der näch­sten Kar­ri­ereleit­er. Die Spatzen pfeifen es in der britis­chen Haupt­stadt seit Langem von den Däch­ern: John­son will unbe­d­ingt Pre­mier­min­is­ter wer­den. Und dafür ist er bere­it, in offene Flanken Mays zu treten.

Für die britis­che Regierungschefin kam der Angriff jeden­falls höchst ungele­gen. Die res­olute 60jährige steckt mit­ten in den Aus­trittsver­hand­lun­gen mit der EU. Nach allem, was man dazu aus Brüs­sel hört, stock­en die bis 29. März 2019 ter­minierten Beratun­gen. Zu weit auseinan­der klaf­fen schon in dieser frühen Gespräch­sphase bei­der Seit­en Vorstel­lun­gen.

May ist sowieso angezählt, seit sie den Kon­ser­v­a­tiv­en bei der Wahl im Juni nur mith­il­fe ein­er recht­en Region­al­partei die Macht erhal­ten kon­nte. In Sachen Brex­it wer­fen die Hard­lin­er ihr Weich­heit vor. Die Kri­tik ver­fängt. Viele hal­ten May für eine Über­gangsregierungschefin, die bald fall­en und den Weg für John­son freimachen kön­nte. Der kon­ser­v­a­tive Grand­seigneur Lord Hes­el­tine fordert, dass May den Queru­lanten John­son aus dem Kabi­nett ent­fer­nt und glaubt, sie sei so geschwächt, dass nicht mehr in der Lage sei, Kabi­nettsentschei­dun­gen durchzuziehen.

Doch wieviel Macht hat John­son wirk­lich? Die Zeitung „The Inde­pen­dent“: „Sein Stern als Pro­mi-Poli­tik­er ist sowieso längst ver­glüht.“ Doch jed­er­mann im Vere­inigten Kön­i­gre­ich weiß, dass John­son sich selb­st davon nicht beir­ren lässt, dass seine Umfragew­erte gegenüber früheren Beliebtheit­srank­ings derzeit deut­lich abge­sunken sind. Als sei nichts vorge­fall­en, schnur­rte der Außen­min­is­ter dieser Tage eine Videobotschaft aus New York so gelassen ab, als könne er kein Wässerchen trüben.

Der Stre­it zwis­chen John­son und May habe jeden­falls „tief­greifende Mei­n­ung­sun­ter­schiede“ im britis­chen Kabi­nett über den Umgang gegenüber der EU bei den Brex­it-Ver­hand­lun­gen offen­bart, analysiert Sky News. Die einen wollen Crash, die anderen Cash.

Nun, nach der pro­gram­ma­tis­chen Brex­it-Rede Mays in Flo­renz, in der sie ver­sucht hat, es allen recht zu machen, wird sich zeigen, ob John­son – der fünf Min­is­ter hin­ter sich haben soll – ruhiggestellt ist. Er twit­terte zwar Sekun­den nach der Rede: „Die Rede der Pre­mier­min­is­terin war pos­i­tiv, opti­mistisch und dynamisch – und eröffnet die Nor­we­gen-Option! Vor­wärts!“ Doch Boris wäre nicht Boris, würde er nicht in Wirk­lichkeit auf seine näch­ste Chance lauern.

So reagierte die EU     So reagierte das Europäis­che Par­la­ment