⇒ Inhalt dieses Blogs: Das Europäische Parlament hat hasenfüßig grenzüberschreitende Wahllisten abgelehnt – ein Bärendienst an Europa.

Kommentar von Wolf Achim Wiegand

FDP-Europa-Reden wir über die Zukunft Europas

Hamburg (waw) – Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben es heute, am 7. Februar 2018, mehrheitlich nicht geschafft über ihren Schatten zu springen. Mit der Ablehnung transnationaler Wahllisten ab der Europawahl 2019 haben sie ein klitzekleines EU-Reförmchen blockiert. Dieses hätte jedem EU-Bürger erstmals eine Erst- und Zweitstimme für Europa gegeben und den Horizont über die eigene Staatsgrenze hinaus erweitert.

Die nun beschlossene Devise “Weiter so!” ist ein Rückschlag für alle von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron angeführten Erneuerer. Dabei sind Kandidatenaufstellungen für eine übernationale Volksvertretung wirklich antiquiert. Wir haben einen wirtschaftlichen Binnenmarkt, eine intereuropäische Verteidigungszusammenarbeit und regeln gemeinsam Währung und Fischerei – wieso dann nicht einen europäischen Wahlkreis schaffen?

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Schuld an dem Desaster ist eine merkwürdige Koalition aus Christdemokraten (Europäische Volkspartei, EVP), Linken und Rechtspopulisten. Während Grüne und Liberale als Speerspitze auch die Sozialdemokraten an der Seite hatten, blieben die meisten Abgeordneten der Gruppe um EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) hasenfüßig. Angeblich fehle dafür die nötige rechtliche Grundlage lautete das dünne Argument, denn die hätte man ja schaffen können. Abgesehen davon, dass es Helmut Kohl, CDU, war, der die Idee einer “Europäischen Unionsbürgerschaft” eingeführt hat.

Guy VERHOFSTADT
Verhofstadt

Kuriosum am Rande: Selbst der Vorsitzende der Europäischen Föderalisten, Elmar Brok (CDU), hat gegen die transnationalen Wahllisten gestimmt. Prominentes Abweichlertum gab es auch in der ausgesprochen europaorientierten liberalen ALDE-Fraktion. Deren Vorsitzender, Guy Verhofstadt (Belgien), trommelt seit Jahren für dieses Anliegen – doch ihm folgte ausgerechnet nicht der Präsident der paneuropäischen ALDE Party, Johannes Cornelis van Baalen  (VVN, Niederlande).

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van Baalen

Das Führungskomitee der ALDE-Einzelmitglieder (Individual Members) protestierte scharf: “Wir werden diese für uns grundsätzliche Idee beim nächsten Europaparteitag in Madrid erneut aufs Tapet bringen und härter dafür arbeiten, dass die ALDE Party ihr zustimmt.” Ein erster Antrag war 2017 in Amsterdam hauchdünn mit 51% : 49% abgelehnt worden.

Spitzenkandidaten-Konzept unangetastet

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Wenigstens haben die Damen und Herren Europaparlamentarier in einer anderen Frage eine breite Mehrheit zuwege gebracht: in der Frage europäischer Spitzenkandidaten (siehe Foto). Dahinter steckt das Konzept, dass jede Parteiengruppierung vor der Europawahl die Person benennt, die nach ihrer Auffassung künftiger EU-Kommissionspräsident werden soll. Das hatte vorige Wahl gut geklappt und so kam Christdemokrat Jean-Claude Juncker als Kandidat der nach Wählerstimmen größten Fraktion ins Amt (Martin Schulz für die Sozialdemokraten verfehlte das Ziel).

Macron-mit-EUROPAFLAGGE-Quelle-eigenes-Twitteraccount_Ich fühle mich geehrt, heute Abend mit Ihnen die europäische Flagge zu präsentieren

Noch sperren sich vor allem EU-Regierungschefs (die meistens auch nationale Parteichefs sind) gegen das Spitzenkandidatenkonzept. Sie befürchten (wie auch bei den transnationalen Listen) den Verlust länderbezogener gewohnter Machtnetzwerke. Doch genau diese Gartenzwergmentalität ist es, die momentan den großen Wurf für Europa verhindert.

Wenn die Hauptstadtfürsten ihren engagierten Pariser Kollegen Macron aber weiter im Regen stehen lassen, dann wird das Projekt Europa einen Wasserschaden nehmen. Extremistische EU-Hasser könnten dann nicht mehr nur tröpfchenweise einsickern, sondern das größte Friedensprojekt aller Zeiten als Sturzbach überschwemmen. Deshalb: Avanti, Parlamento europeo!