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Inhalt dieses Blogs: Die lib­eralen Parteien haben sich für die Europawahl 2019 viel vorgenom­men. Kraft schöpfen sie aus ein­er neuen Allianz mit Emmanuel Macron.

Von Wolf Achim Wie­gand

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Madrid (waw) – Als ALDE-Par­ty-Präsi­dent Hans van Baalen vor einem Jahr beim Jahreskongress der lib­eralen europäis­chen Dach­partei in Ams­ter­dam das Ziel vor­gab, bei der Europawahl 2019 stärk­ste Kraft im EU-Par­la­ment zu wer­den, fan­den das selb­st poli­tis­che Fre­unde über­am­bi­tion­iert. Doch seit Kurzem kann die Vision des bedächti­gen Nieder­län­ders dur­chaus in Erfül­lung gehen. Denn beim diesjähri­gen Con­gress in Madrid hat der 58jährige Reserve­of­fizier wom­öglich Großes ein­geleit­et. Die Lib­eralen wer­den bei der Europawahl mit “EnMarche!” zusam­me­nar­beit­en, der neuen Reform­partei des franzö­sis­chen Präsi­den­ten Emmanuel Macron (40).

Panosyan

Den Coup servierte den begeis­terten ALDE-Delegierten die En-Marche-Mit­be­grün­derin Astrid Panosyan bei einem engagierten Auftritt. “ALDE ist das Herz der Koali­tion, die En Marche bauen will,” rief die Top­man­agerin aus, die einst als Arbeitsmin­is­terin Macrons im Gespräch war. Der Satz löste im Audi­to­ri­um Stand­ing Ova­tions und eine Umar­mung van Baalens aus.

Bei den ver­sam­melten Lib­eralen ist mit dem Auftritt der Macron-Abge­sandten eine Zeit der Läh­mung been­det. Während die Christ­demokrat­en bere­its CSU-Mann Man­fred Weber (46) zu ihrem Spitzenkan­di­dat­en für die Europawahl kürten, und damit als Anwärter für die Präsi­dentschaft der EU-Kom­mis­sion, und die Sozialdemokrat­en den Kom­mis­sionsvize Frans Tim­mer­manns (57) kürten, zeigten sich die Lib­eralen per­son­ell merk­würdig blank.

Vestager

Erst schien näm­lich im Lager der europäis­chen Freisin­ni­gen alles auf die taffe und beliebte dänis­che EU-Wet­tbe­werb­skom­mis­sarin Mar­grete Vestager (50) als Frnt­frau zuzu­laufen. Doch da sie der sozial­lib­eralen Partei Radikale Ven­stre ange­hört, und nicht der ger­ade regieren­den nation­al­lib­eralen Ven­stre (V), war für Ihre Bewer­bung als Kom­mis­sion­schefin kein Rück­en­wind aus Kopen­hagen zu erwarten. Nun ist plöt­zlich Macron die Zug­mas­chine der Lib­eralen — obwohl der Haush­err des Ely­seé-Palastes selb­st für Europa gar nicht antritt.

Das Fehlen ein­er abfahrt­bere­it­en Wahlkampfloko­mo­tive hat­te krass aufgezeigt, welche teils krassen Unter­schiede unter ALDE-Dach ver­net­zten Parteien haben. Auf der einen Seite ste­hen überzeugte EU-Föder­al­is­ten, wie der lib­erale Frak­tion­schef im Europäis­chen Par­la­ment Guy Ver­hof­s­tadt (65). Der scharfe Rhetorik­er und Ex-Min­is­ter­präsi­dent von Bel­gien propagiert als Ziel die Vere­inigten Staat­en von Europa.

Rutte

Anders dage­gen das andere lib­erale Lager, in dem sich Parteien befind­en, die derzeit keine grundle­gende weit­ere Inte­gra­tion Europas wün­schen. Expo­nen­ten sind der nieder­ländis­che Min­is­ter­präsi­dent Mark Rutte (51) und Däne­marks Regierungschef Lars Løkke Ras­mussen (54). Let­zter­er redet ein­er harten Anti-Flüchtlingspoli­tik und stärk­er überwacht­en EU-Bin­nen­gren­zen das Wort, während andere soft­er sind.

Ist Macron nun der richtige Mann, um die Lib­eralen zu einen? Manche aus der ALDE-Partei ver­fall­en dem über­schäu­menden Europa-Enthu­si­as­mus des jun­gen franzö­sis­chen Staat­spräsi­den­ten nur schw­er. Bei der FDP ist beispiel­sweise dessen Idee eines Euro­zo­nen-Haushalts umstrit­ten, wie Parteivor­sitzen­der Chris­t­ian Lind­ner (40) schon kurz nach der Machtüber­nahme Macrons anklin­gen ließ.

Macron

Tat­säch­lich war es aber auch so, dass die gal­lis­che Prinzessin geküsst sein wollte. Macron hat­te immer sig­nal­isiert, sein Inter­esse sei eigentlich die Zer­schla­gung des gewohn­ten Parteien­klün­gels. So, wie der ein­stige Sozial­ist es in Frankre­ich selb­st gemacht hat­te. Mit sein­er Bewe­gung (inzwis­chen Partei) “En Marche!” hat­te er die Parteien von links bis recht in ein­er über­schäu­menden Erneuerungswelle ertränkt und sich selb­st in den Ely­see-Palast gespült.

Nun reden Macron und seine neuen lib­eralen Mit­stre­it­er von ein­er „Koali­tion“ oder ein­er „Allianz“. Eine neue gemein­same Partei ist zunächst nicht geplant. Die bei­den Frischver­mählten leben sozusagen ver­heiratet, aber getren­nt lebend. So kann Macron weit­er eigene Kern­the­men plazieren und auch die ALDE Par­ty kann sich treu bleiben.

Ver­mut­lich wird das neue europäis­che Duo nach der Wahl im Europäis­chen Par­la­ment eine Frak­tion­s­ge­mein­schaft bilden, ähn­lich wie CDU und CSU im Bun­destag. Es kön­nte so kom­men, dass die Grup­pierung stärk­er als die auch europaweit beständig absack­enden Slzialdemokrat­en wäre. Oder gar die stärk­ste, vor den Christ­demokrat­en – mit der Chance, den Präsi­den­ten der EU-Kom­mis­sion zu stellen? Wer weiß.

Die Frage nach einem lib­eralen Spitzenkan­di­dat­en für die Europawahl stellt sich nun nicht mehr. Die poli­tis­che Ehe soll von einem Team in die „Schlacht um die See­len Europas“ (Ver­hof­s­tadt) geführt wer­den. In diese Crew gehört sicher­lich Vestager. Und wohl auch Albert Rivera, der alerte 40jährige Chef der neuen spanis­chen Partei Ciu­dadanos, dem das Zeug zum Min­is­ter­präsi­den­ten nachge­sagt wird.

Ver­hof­s­tadt lieferte in Madrid die Begrün­dung, warum ALDE und En Marche keine Spitzen­fig­ur benöti­gen:

Wir brauchen kein Amt für Poli­tik­er zu schaf­fen, die einen Job suchen

– ein grif­fig-giftiger Seit­en­hieb auf Man­fred Weber, CSU.

van Baalen

Hans van Baalen strahlte unter­dessen beim Kongress in Madrid sichtlich Sieges­laune aus. Für den ALDE-Vor­mann begin­nt die Wahlschlacht gegen Pop­ulis­ten und Nation­al­is­ten ab sofort. Auch der Feind scheint klar. Außer pop­ulis­tis­che Rat­ten­fänger geht es gegen „die große Koali­tion“ in Brüs­sel, also gegen Kon­ser­v­a­tive und Sozial­is­ten, die sich seit Jahren in Brüs­sel gegen­seit­ig die Posten „verkauft“ (Baalen).

Wer kann dieses Anliegen bess­er nachvol­lziehen, als die Groko-kri­tis­che FDP? Deutsch­lands lib­eraler Front­mann Lind­ner wird bei der ALDE Par­ty plöt­zlich als ein Hoff­nungsträger gepriesen. Gut möglich, dass in Europa nach dem Sta­bil­ität­szeital­ter mit EU-Anker Merkel nun eine Inno­va­tions-Ära mit dem Motor Macron kommt!