Die Totengräber der EU: sie schaufeln, um den Rechtsstaat zu begraben

Freiheit verteidigen, nicht Gräber graben!

Dieser Text ist erschienen im Wochenmagazin FORUM

Von Wolf Achim Wiegand

creepy dark fear grave

 

Hamburg/Brüssel (waw) – Europas Freiheit ist in Gefahr – nichts mehr und nichts weniger. Rechtspopulistische Totengräber versuchen durch kontinuierliches Schaufeln frische Gräber zu graben. Darin wollen sie nicht nur die EU beerdigen, sondern gleich den ganzen Rechtsstaat.

Matteo Salvini, Innenminister Italiens und Vizepremier, benutzt zur Kennzeichnung seiner politischen Vorgehensweise den menschenverachtenden Ausdruck „asfaltare“ (asphaltieren). Das bedeutet auf Deutsch: den Gegner plattmachen. Dem starken Maxen der Lega Nord, der die EU mit der gescheiterten kommunistischen UdSSR vergleicht, geht es nicht um gesellschaftlichen Ausgleich. Er will Andersdenkende regelrecht auslöschen.

grey arc de triumph

Aus dem gleichen Holz geschnitzt ist Marine Le Pen in Frankreich. „Wir wollen diese EU zerstören,“ sagt die nach wie vor politisch sehr aktive Verliererin des vergangenen Präsidentschaftswahlkampfes. Die EU sei „eine Diktatur“ und begehe „Verrat am Volk“. Auch AfD-Funktionäre behaupten hochmütig: „Wir sind das Volk!“

Was wir da hören ist die Sprache des Absolutheitsanspruches, die verbale Vorbereitung auf die „Machtergreifung“. Ihre Apologeten behaupten, nur sie selbst hätten die Wahrheit mit Löffeln gefressen. Damit entfernen sie sich aus dem demokratischen Diskurs und bauen Mauern auf, wo Kompromisse nötig wären. Obwohl sie nur eine Minderheit vertreten führt der rechtspopulistische Anspruch auf „Machtergreifung“ letztlich in die Diktatur.

Bringt es etwas, auf Rechtspopulisten zuzugehen, nun, wo sie schon mal da sind? Nein. Im Gegenteil. Wer versucht, in Stil und Inhalt mit Gegnern unserer Grundordnung gleichzuziehen, der schafft kruden und zerstörerischen Thesen nur eine wohlfeile Plattform. Das desaströse Ergebnis für die CSU bei der Landtagswahl in Bayern ist der Beleg.

 

tree surrounded by snow

In Österreich haben antieuropäische Kräfte sogar auf nationaler Ebene eine Bühne bekommen. Das Regierungsbündnis zwischen der konservativen ÖVP unter Kanzler Sebastian Kurz und der europafeindlichen FPÖ ist hochproblematisch. Zwar führt der große Koalitionspartner die Meinungsumfragen in der Alpenrepublik derzeit an. Aber immerhin sieht jeder Zweite die FPÖ inzwischen als zur Regierungspartei „gereifte“ Partei an.

Wer Rechtspopulisten packen möchte, der darf nicht paktieren, sondern muss klare Kante zeigen. Mit Verächtern unserer Grundordnung und mit Angstmachern darf es nicht den Anschein einer Gemeinsamkeit geben. Das Friedenswerk EU, gerade feierlich durch den neuen deutsch-französischen Freundschaftsvertrag bestätigt und besiegelt, muss verteidigt werden, wollen wir nicht in gefährlich engstirnige Zeiten zurückfallen.

Das gesagt heißt nicht, den Wählern der Rechtspopulisten die kalte Schulter zuzuweisen. Sie gilt explizit nur den Funktionären, also denjenigen, die ihre politischen Karrieren auf der Basis von Lügen, Hass und Rattenfängerei aufbauen. Dagegen müssen die Anliegen der Wähler von AfD, Lega Nord oder Rassemblement National (vormals Front National) ernst genommen werden.

person holding terrestrial globe scale model taken

Viele Menschen halten derzeit nicht Schritt mit Globalisierung und Digitalisierung. Denn deren Tempo ist rasend schnell. Ihre Auswirkungen sind global. Und ihre Komplexität ist enorm. Da kann man sich schon mal überfahren fühlen.

Politik muss sich heutzutage runterbeugen zu den Menschen. Zu einem politischen Mandat gehört, der „Basis“ zuzuhören. Wirksame menschenfreundliche Lösungen sind gemeinsam zu erarbeiten. Das Berufsfeld Politiker kann sich nicht in Machthaberei erschöpfen, sondern muss sich zu einer Art Mediator wandeln. Politik im Zeitalter neuer gesellschaftlicher Umbrüche ist aufgerufen vermittelnd zu gestalten, damit es konfliktarm bleibt.

Die Feststellung, dass die im Mai bevorstehende Europawahl „schicksalhaft“ sei, klingt abgegriffen. Sie ist dennoch wahr. In ganz Europa bringen sich Kräfte mit Hilfe auswärtiger Aufwiegler – etwa aus dem Kreml, aber auch aus Teilen der USA – mit Störfeuerallianzen in Stellung. Sie propagieren das Heil durch Zurückziehen ins nationale Schneckenhaus. Sie wüten gegen liberale Kosmopoliten. Sie versuchen, sich vom politischen Rand aus in den Mainstream vorzuwühlen. Ziel: Zerschlagung, nicht Zementieren zuträglicher Zukunft.

Vor zwei Jahrzehnten kamen Populisten bei Europawahlen auf durchschnittlich nur sieben Prozent der Stimmen. Heute ist einer von vier EU-Bürgern bereit, für eine Populistenpartei zu stimmen. Nochmals: Europas Freiheit ist in Gefahr ins Grab zu fallen. Das darf sich keine Bürgerin und kein Bürger bieten lassen. Lassen wir uns nicht irre machen.

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