Am 8. Juni feiern wir den weltweiten “Tag der Ozeane“. Das Konzept dafür wurde erstmals 1992 auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro vorgeschlagen. Ziel: Den gemeinsamen Ozean unserer Welt zu feiern, unsere persönliche Verbindung zum Meer hervorzuheben und das Bewusstsein für die Rolle der unendlichen Wasserwelten für unser Dasein zu schärfen. Denn: Ozeane und Meere geben uns Leben: Sie ernähren uns, sie unterhalten uns, sie verbinden uns, sie inspirieren uns.
Von Wolf Achim Wiegand
Hamburg (waw) – Als kleiner Junge bekam ich schon früh ein Gefühl für das, was Ozeane sind. Vier Mal fuhr ich mit dem Schiff über den Atlantik nach Buenos Aires und zurück. Meine Mutter nahm mich mit auf die Reise. Per Frachter ging es in ihr fernes Heimatland – Argentinien, sechs Frachtdampferwochen entfernt, in viele südamerikanische Häfen einlaufend, bis wir die große Stadt an der gegenüberliegenden Küste Europas erreichten.
Beim ersten Mal war ich noch ein Baby und erinnere mich an Nichts (Foto). Aber als fünfjährigem Knirps wurden mir viele Details ins Gedächtnis gestempelt. Ich erinnere, wie sich das Wasser, das in Europa schwarzgrau gewesen war, schon weit vor Brasilien in ein herrliches Türkisgrün verwandelte. Delfine tummelten sich um weißsprühenden Bugwasser. Fliegende Fische landeten an Bord und blieben zappelnd auf dem heißen Stahldeck liegen.
Der Horizont war die stetige Konstante in einer ständig sich bewegenden Fläche, über der die Wolken eilig bis gemächlich entlangsegelten, wenn sie nicht das Azurblau des Himmels überspannte. Auch die Gerüche des Windes änderten sich. Waren er erst als frische bis kalte Brise spürbar, kam plötzliche die warme tropische Schwüle vom noch nicht sichtbaren Land herübergeweht. Und mit kamen die Möwen, die laut kreischend um das Schiff kreisten, bis der Koch die Küchenabfälle des Tages über Bord beförderte…

Damals machten sich wenige Menschen Gedanken um den Atlantik, nach dem Pazifik der zweitgrößte Ozean der Erde. Umgeben ist der Atlantik von der Arktis, von Europa und Afrika sowie der Antarktis, Südamerika und Nordamerika. Beim Kap der Guten Hoffnung fließen Atlantik und Indischer Ozean ineinander, am rauen Kap Hoorn vereinigt sich der Atlantik mit dem Pazifik.
Laut Wikipedia beträgt die Fläche “unseres” Ozeans fast 80 Millionen km². Mit Nebenmeeren sind es fast 90 Millionen km² und inklusive Arktischer Ozean sogar 106 Millionen km² – das ist etwa ein Fünftel der Erdoberfläche. Die durchschnittliche Wassertiefe: rund 3.400 Meter, das entspricht ungefähr dem Gardemaß des höchsten Pryenäengipfels.
Öl + Plastik, Geiseln der Ozeane
Heute ist unser Atlantik in großer Gefahr. Die weltweite Schifffahrt, intensive Fischerei und ungebremstes Wirtschaftswachstum haben dazu geführt, dass dieses einzigartige Werk der Natur in weiten Teilen verpestet ist. Öl bildet für Meerestiere und Vögel tödliche Teppiche. Zerbröselnder Plastikmüll gelangt in die Nahrung der Fauna und schadet damit über die Nahrungskette auch uns Menschen.
Britische Biogeochemiker schätzen, dass zwölf bis 21 Millionen Tonnen Mikroplastik in den oberen 200 Metern des Ozeans treiben, etwa zehn Mal so viel wie lange geschätzt. Die Partikel finden sich bis in 200 Meter Tiefe. Manche sind nur einige Hundert oder wenige Dutzend Mikrometer größer, also dünner als ein Haar. In einem Kubikmeter Atlantik schwimmen etwa 1000 kleine Plastikteilchen, sagen die Forscher.
Erfreulich: Der Atlantik soll eines der weltgrößten Meeresschutzgebiete bekommen. Es wird um die weit abgelegene Inselgruppe Tristan da Cunha entstehen. Das britische Territorium liegt 3.700 Kilometer östlich von Südamerika und 2.500 Kilometer westlich von Südafrika. Sieben Tage dauert es, um dort mit dem Schiff hinzukommen – einen Flugplatz gibt es nicht. Die Region ist die Heimat zahlreicher Wale, Haie, Robben und Meeresvögel (Albatrosse!) – und von 33 Menschen… Hier wird das viertgrößte vollständig geschützte Meeresschutzgebiet der Welt entstehen – und das größte im Atlantik.
Viele Fischer fangen zu viel Fisch
Aber auch vor unserer eigenen Haustür gehört der Atlantik zum diesjährigen Tag der Ozeane weiterhin zu den maritimen Sorgenkindern. So ist das Iberische Becken (d.h. der Atlantik entlang des östlichen atlantischen Schelfs, einschließlich des Golfs von Biskaya) zu den am meisten gefährdeten Gebieten. Hauptprobleme sind Überfischung und Schwermetalle.
Die Nordsee ist ein weiteres gefährdetes Meer. Auch hier geben Überfischung sowie hohe Nährstoff- und Schadstoffkonzentrationen erheblichen Anlass zur Sorge. Das Schwarze Meer und die Ostsee gehören schon seit den 90er Jahren in die selbe Kategorie. Siehe Zweiter Lagebericht “Meeres- und Küstenumwelt” der EU-Umweltagentur, die heute noch über Überfischung und andere Umweltsünden klagt.
Die Deutsche Umwelthilfe und die Initiative Our Fish haben die EU-Kommission aufgefordert, die Überfischung sofort zu stoppen. Fangquoten für die Fischerei müssten nach ihrer Ansicht wissenschaftliche Empfehlungen berücksichtigen, um gesunde Meeresökosysteme mit Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel zu schaffen. Das ist ein harter Kampf – wurde doch erst voriges Jahr erschreckend umfangreiche illegale Fischerei im Mittelmeer aufgedeckt: Laut WWF werden u. a. in den EU-Staaten Spanien, Italien, Frankreich, Kroatien, Griechenland und Zypern “Haie und Rochen gejagt, obwohl die Fänge verboten sind und einige Arten vom Aussterben bedroht sind…”
7 Atlantik-Inseln, die Sie garantiert nicht kennen:
Île de Bréhat +++ Porto Santo +++ Foula +++ Santa Maria +++ St. Kilda +++ Vestmannaeyjar +++ Unst +++ Mehr dazu: hier klicken…
Zu den Warnmeldungen kommt nun auch noch das dazu: Ein internationales Wissenschaftlerteam konnte nun zeigen, dass das Abschmelzen der arktischen Eisschilde nicht nur zum Anstieg des Meeresspiegels beiträgt, es beeinflusst auch die Chemie des Ozeans – mit bislang weitgehend unbekannten Auswirkungen auf marine Ökosysteme.
Nehmen wir also den weltweiten “Tag der Ozeane” zum Anlass, vor unserer europäischen Haustür zu kehren. Ich möchte jedenfalls nicht meine nächste Atlantikreise in dem Bewusstsein antreten, über eine leblose und verschmutzte Brühe zu fahren…