EUROPÄISCHE-TOP-THEMEN 2023/19: Scholz, SchwarzRot, Steuern

EuropÀische Top-Ten-Themen der Woche

Von WOLF ACHIM WIEGAND đŸ‡ȘđŸ‡ș

Was hat Europa vergangene Woche an- und umgetrieben?

Das EuropĂ€ische Parlament hat mehrere wichtige BeschlĂŒsse gefasst. Zum Beispiel, dass die sogenannte „Istanbul-Konvention“ in der gesamten EU gelten soll. Das bedeutet die Verpflichtung zum Kampf gegen Gewalt an Frauen und Kindern. Damit wird es möglich die bisherigen sechs Nicht-Unterzeichner – darunter Polen, Ungarn und Tschechien – mit Mehrheitsentscheidung zur Anwendung zu zwingen.

Wenig Spuren hinterließ ein Auftritt von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). In einer Grundsatzrede ausgerechnet zum Europatag leierte er Altbekanntes oder Unkonkretes daher. Deutschland gilt unter seiner Regierung nicht mehr als Motor fĂŒr Fortschritt und Entwicklung des Staatenbundes. Mehr dazu unten.

DAS ALLES UND NOCH VIEL MEHR â€”

Politik Foto Europa

Deutschland ohne europÀische Strahlkraft:

Die groß angekĂŒndigte Grundsatzrede von Bundeskanzler Olaf Scholz im EuropĂ€ischen Parlament (EP) hat wenig HĂ€ndeklatschen ausgelöst. Spannender, als seine emotionslose Vorlesestunde fanden Beobachter und Abgeordnete den Auftritt der grĂŒnen EP-Frontfrau Terry Reintke. Die lederte den Sozialdemokraten ab, als sĂ€ĂŸe ihre Partei in Berlin nicht mit ihm in einer Regierung. Sie wolle ihn „kĂ€mpfen sehen“ fĂŒr Europa, aber Scholz formuliere „genau die gleichen Töne gegenĂŒber China“ wie die SPD frĂŒher mit Russland. Am meisten hĂ€ngen blieb vom Kanzler, dass er – anders als Frankreichs PrĂ€sident Emmanuel Macron– rasch neue EU-Handelsabkommen mit Afrika, Lateinamerika und Asien anstrebt und mit den LĂ€ndern auf Augenhöhe sprechen will. focus.de

Kein Datenausverkauf an USA:

Das EuropĂ€ische Parlament drĂŒckt beim geplanten Datenschutzabkommen zwischen der EU und den USA weiter auf die Bremse. Solange die Rechte der EU-BĂŒrger in Sachen Massenerfassung und Transparenz nicht ausreichend geschĂŒtzt seien, dĂŒrfe die Kommission keine personenbezogenen Daten ĂŒbermitteln, heißt es in einer Entschließung. Redner machten deutlich, dass vorliegende RegelungsvorschlĂ€ge nicht ausreichten. Zudem gĂ€be es juristische Bedenken. Damit werden die USA, die unter PrĂ€sident Joe Biden mit niedrigen Standards aufs Tempo drĂŒcken, wohl noch eine ganze Weile auf ein Abkommen warten mĂŒssen. europarl.europa.eu

„Die USA mĂŒssen aufhören uns auszuspionieren“

Moritz Körner, MdEP (FDP) âŹ‡ïž

Schwarzroter EU-Zoff:

Ein Jahr vor der Europawahl beharkt sich die inoffizielle „Große EU-Koalition“: Sozialdemokraten (S&D) und Christdemokraten (EuropĂ€ische Volkspartei, EVP). Die spanische S&D-Vorsitzende im EU-Parlament, Iratxe GarcĂ­a PĂ©rez, stellt die bisherige Kooperation sogar ganz in Frage – wegen AnnĂ€herung der EVP unter ihrem Chef Manfred Weber (CSU) „in Richtung der extremen Rechten“. Der habe eine rote Linie „traurigerweise ĂŒberschritten“. Hintergrund: Weber flirtet mit den italienischen Neofaschisten der Regierungspartei Fratelli d’Italia und den polnischen Nationalkonservativen von PiS.

EU soll effektiver werden:

Deutschland ringt hinter den Kulissen darum, einen Webfehler der EuropĂ€ischen Union zu beseitigen. Seit voriger Woche bemĂŒhen sich neun EU-Mitgliedsstaaten unter Leitung Berlins, das Einstimmigkeitsprinzip in Fragen der Außenpolitik abzuschaffen. Angesichts von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und anderer Probleme brauche die EU-Außenpolitik „angepasste Prozesse“, um wirkungsvoller agieren zu können, etwa eine qualifizierte Mehrheit, heißt es. Weil das die bevölkerungsreichsten LĂ€nder Frankreich und Deutschland begĂŒnstigen wĂŒrde sei aber noch Überzeugungsarbeit in kleineren LĂ€ndern nötig. auswaertiges-amt.de

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Kommen europÀische Steuern?

Das EuropĂ€ische Parlament befĂŒrwortet EU-weite Steuern, um steigende Zinsen fĂŒr Gemeinschaftsschulden decken zu können. Mit 356 zu 199 Stimmen fordert das einzige direkt gewĂ€hlte EU-Gremium die Kommission auf, bereits 2024 Abgaben auf große Unternehmen zu erheben. Die EU sei wegen Krisen und entsprechender Hilfspakete gefordert, sagte die liberale französische Europaabgeordnete ValĂ©rie Hayer: „Wir haben die Ukraine, die strategische Autonomie, die Klimafinanzierung und den digitalen Wandel – wir mĂŒssen also mehr investieren.” Der aktuelle EU-Haushalt umfasst 724 Milliarden Euro. politico.eur

Mediahuis kauft EURACTIV:

Die belgische Mediengruppe Mediahuis (Antwerpen) hat die paneuropĂ€ische Nachrichtenmarke EURACTIV ĂŒbernommen. Dieses Online-Netzwerk gehört somit ab jetzt zu Zeitungen wie De Standaard (Bielgien), De Telegraaf (Niederlande) oder Aachener Zeitung. EURACTIV versorgt vor allem EntscheidungstrĂ€ger, Interessengruppen und andere Medien in 13 Sprachen mit unabhĂ€ngigen Neuigkeiten und HintergrĂŒnden zu eruopĂ€ischer Politik. Ziel der Übernahme ist es nach eigenen Angaben „das fĂŒhrende Medium fĂŒr EU-Politik zu werden.“

EU kÀmpft gegen Cyberverbrecher:

In Bukarest hat das EuropĂ€ische Kompetenzzentrum fĂŒr Cybersicherheit (ECCC) als erste EU-Behörde in RumĂ€nien die Arbeit aufgenommen. Es geht mit zunĂ€chst 14 Mitarbeitern gezielt gegen Cyberangriffe auf die LĂ€nder der EuropĂ€ischen Union vor. Im Endausbau sollen 40 Spezialisten einen EU-weiten Cyber-Abwehrschirm betreiben. Der soll den Cyberraum kontinuierlich ĂŒberwachen, Schwachstellen feststellen und Angriffe gegen Vermögenswerte und BĂŒrger der EU abwehren. In dringenden FĂ€llen stehen technische „Soforteinsatzteams“ bereit.

Deutschland ohne Aktienmut:

Theodor Weimer, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Börse AG, hat Tempo fĂŒr die Vollendung der EU-Kapitalmarktunion angemahnt. In einem Interview mit der schweizerischen NZZ beklagt er, der europĂ€ische Markt sei immer noch sehr stark fragmentiert und brauche „einen gemeinsamen LiquiditĂ€tspool“, weil es im Nachteil gegenĂŒber den USA sei. Scharfe Kritik Ă€ußerte der Börsenchef an der deutschen Zögerlichkeit beim EinfĂŒhren der geplanten Aktienrente. Berlin beschaffe enorme Summen fĂŒr Bundeswehr und Klimapolitik, wĂ€hrend fĂŒr die Aktienrente kaum etwas ĂŒbrig bleibe. Es gebe zu viele ideologischen Debatten und zu wenig UnterstĂŒtzung von SPD und GrĂŒnen fĂŒr das Projekt des Finanzminister Christian Lindner (FDP). nzz.ch

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„In Deutschland haben traditionell viele Menschen wenig AffinitĂ€t zu Themen wie Börse und Kapitalmarkt. Das gilt auch sehr stark fĂŒr die politische Klasse.“

Theodor Weimer, Vorstandsvorsitzender Deutsche Börse AG

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Karrieresprung nach Bulgarien:

Die EU-Kommissarin fĂŒr Innovation, Marija Iwanowa Gabriel (43), soll MinisterprĂ€sidentin in Sofia werden. Das hat der amtierende Regierungschef Bojko Borissow von der konservativen Partei GERB vorgeschlagen. Das Balkanland befindet sich in einem politischen Stillstand, nachdem bei fĂŒnf aufeinanderfolgenden Wahlen keine Mehrheit erzielt werden konnte. Es wird erwartet, dass Bulgariens zentristische Anti-Korruptionsparteien Gabriels Nominierung unterstĂŒtzen werden und sie daher im Parlament eine Mehrheit findet. Die Christdemokratin ist in der EU fĂŒr Innovation, Forschung, Kultur, Bildung und Jugend zustĂ€ndig. politico.eu

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Kein Grund mehr fĂŒr europĂ€ische Ode an die Freude?

Europa taumelt von Krise zu Krise. Ist es da nicht an der Zeit, die Europa-Hymne „Ode an die Freude“ als den passenden musikalischen Schlachtruf zu hinterfragen? Gibt es vielleicht eine bessere Option? Das fragt sich und uns das Nachrichtenportal Politico und gibt ein paar VorschlĂ€ge fĂŒr Alternativen. Eine davon kommt aus Deutschland – ob sich Ludwig van Beethoven dabei im Grabe umdrehen wĂŒrde…?

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