Von Wolf Achim Wiegand

Hamburg (waw) – Hassen Sie es, auf Ihrem Weg zur Arbeit im Stau zu stehen? Sind Sie es leid, Busse oder Bahnen zu nehmen, nur um zu spät zu kommen? Die revolutionäre Neuerung der E-Scooter kann Ärger über die traditionellen öffentlichen Verkehrsmittel vermeiden helfen. Die kleinen Tretroller sind einfach zu bedienen und schnell. Mit nur ein paar Klicks auf dem Handy können Sie sich eine Fahrt freischalten und sich auf den Weg zu Ihrem Ziel machen. Außerdem sind E-Scooter umweltfreundlich und tragen nicht zur Luftverschmutzung bei.

So weit der Werbeblock. Und nun die Kehrseite:

Krankenhaus-Experten warnen vor Leichtsinn am Vatertag: E-Scooter sind für Betrunkene so tabu wie Fahrräder.” Mit Schlagzeilen wie diesen schüren Medien gerne Vorurteile gegen das noch junge Verkehrsmittel. Es kämpft seit seiner Einführung um Anerkennung. Elektro-Tretrollern und ihren Nutzern wird unterstellt, sie seien eine besondere Gefahr.

Natürlich: Die elektrisch angetriebenen Kleinfahrzeuge sind keine Kids-GoKarts zum Spielen. Prof. Dr. Lars Gerhard Großterlinden von der Asklepios Klinik Altona (Hamburg) warnt: “Immer häufiger bekommen wir es in den Kliniken mit schweren E-Scooter-Unfällen zu tun.” Auffällig sei dabei vor allem die hohe Zahl von Kopfverletzungen.

Aber die Wahrheit ist: Die moderne Mobilität befindet sich inmitten einer Revolution. E-Scooter prägen längst das Stadtbild. Sie haben in kürzester Zeit die Herzen vieler Stadtbewohner erobert. Die wendigen und umweltfreundlichen Fortbewegungsmittel verändern die Art und Weise, wie wir uns in urbanen Gebieten fortbewegen.

Auf der Nordseeinsel Norderney dienen E-Scooter sogar als Polizei-Einsatzfahrzeuge. Zwei E-Stehroller und zwei induktive Ladestationen waren dort im Rahmen eines bundesweiten Pilotprojekts ein Jahr auf die Eignung überprüft worden. Die Bilanz fiel positiv aus. “Die Norderneyer Beamtinnen und Beamten nutzen die E-Scooter auch für Termine außerhalb ihrer Dienststelle, für die Präventions- und Kontaktarbeit sowie für Verkehrskontrollen,” berichtet die Lokalpresse. Dass bei den Rollern das Blaulicht und das Martinshorn fehlt – das ist laut der Polizeidirektion nicht schlimm.

E-Scooter Polizei Pilotversuch Norderney

E-Scooter anderswo

Anders fällt die Blanz in Paris aus, eine der ersten europäischen Städte, die E-Scooter als neues Transportmittel eingeführt hatten. Die Stadt des Eiffelturms und des Louvre schafft die „Trottinettes“ am 1. September 2023 wieder komplett ab – verbietet sie gar. Grundlage ist ein Volksentscheid aus dem Frühjahr 2023, den die sozialistische Stadtregierung wohl etwas zu voreilig für verbindlich erklärt hatte. Sein Resultat ist eindeutig, aber wenig repräsentativ für den Willen der wahlberechtigten Einwohner:

Zwar haben 89 Prozent bei der Volksabstimmung in Paris für das Verbot der 15.000 E-Scooter gestimmt. Jedoch beteiligten sich nur 7,46 Prozent der rund 1,3 Millionen in die Wählerlisten eingetragenen Einwohner an der Abstimmung. Dass Bürgermeisterin Anne Hidalgo das Betätigungsverbot für die privaten Unternehmen Lime, Tier und Dott einen „Sieg der Demokratie“ nennt, ist vermessen.

Den innovationsfeindlichen Radikalkurs von Paris machen in Europa nicht alle mit, wie dieser Überblick zeigt:

  • Brüssel: Die Europa-Hauptstadt will die Anzahl von E-Rollern verringern, aber nicht ausmerzen
  • London: Großbritanniens Metropole verlängert seinen E-Scooter-Großversuch
  • Norwegen macht E-Tretroller offiziell zu Kraftfahrzeugen
  • Palma de Mallorca: Linke Regionalregierung subventioniert Scooter-Kauf mit Ökosteuer-Einnahmen 
  • Rom reduziert sowohl E-Tretroller wie E-Bikes (!), toleriert sie aber grundsätzlich
  • Türkische Tüfler aus Istanbul entwickeln E-Scooter mit Wasserstoffantrieb
  • Estland: “Äike T” ist der erste in Europa produzierte E-Scooter und der wohl umweltfreundlichste der Welt
  • Wien: Stadt und Anbieter streiten um Konzessionen, aber es geht weiter

Mit Luxus treten:

Teuerster E-Scooter der Welt

Der “Caviar Thunderball” aus 18-karätigem Gold soll der teuerste E-Scooter der Welt sein. Er kostet fast 50.000 Euro und soll eine Geschwindigkeit von bis zu 100 km/h erreichen (zulässiges Höchsttempo hier: 20 km/h). Dazu hat das Modell aus Korea zwei Motoren, die Vorder- und Hinterrad antreiben. Hydraulische Bremsen bringen es schnell zum Stehen. Vorder- und Hinterrad sind gefedert. Akku-Reichweite: Bis zu 150 km.

E-Scooter: Geburtsstunde in Franken

Als erste deutsche Stadt erlaubte Bamberg die Elektro-Tretroller. Genau 100 Stück wurden damals in der Sieben-Hügel-Stadt an der Mündung der Flüsse Regnitz und Main zugelassen. Eigentlich erstaunlich, denn die Weltkulturerbe-Altstadt mit ihrem historischen Kopfsteinpflaster hat nicht gerade das bequemste Pflaster für die auf Balance ausgerichteten drei-rädrigen Elektrotretroller. Die Bayerische versicherte die Bamberger Gefährte erstmalig in Deutschland. Martin Gräfer, Vorstand der Versicherungsgruppe damals: “Wir sind besonders stolz darauf, die Zukunft einer grüneren Mobilität in unseren Städten aktiv mitzugestalten.

Fünf Jahre später fragt die Bamberger Zeitung “Fränkischer Tag”: “Fahrspaß oder Ärgernis?” Und die bange Frage “Wird Bamberg von E-Scootern überschwemmt, wie viele andere Großstädte?beantwortet der irische Anbieter ZEUS Scooters – eine von mittlerweile sechs Ausleihfirmen – auf seiner Website selbst: “Definitiv nicht. Wir sind sehr darauf bedacht, in einer Stadt nur so viele Scooter anzubieten, wie Nachfrage vorhanden ist.

In der Regel hat sich in Stadtverwaltungen die Erkenntnis durchgesetzt, dass E-Scooter eine bequeme und kostengünstige Möglichkeit bieten, kurze Strecken in der Stadt zurückzulegen. Sie bedienen die “letzte Meile“, die der Öffentliche Personen-Nahverkehr (ÖPNV) nirgendwo abdeckt, also die Distanz zwischen Bahnstationen oder Bushaltestellen bis nach Hause oder zur Arbeitsstelle. Allein in Berlin beleben mehr als 25.000 E-Scooter die Straßen, was man als Gradmesser für große Beliebtheit werten kann.

Mit ihrem kompakten Design und der elektrischen Antriebskraft können sich die Elektrokleinstfahrzeuge mühelos selbst bei Stau durch den Verkehr schlängeln und sind eine echte Alternative zu herkömmlichen Verkehrsmitteln wie Autos oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Sie ermöglichen es den Menschen, schnell von A nach B zu gelangen, ohne sich am Ziel Gedanken über Parkplatzprobleme machen zu müssen. Das bietet so kein andres Verkehrsmittel.

E-Scooter: Es war einmal der Krupp-Roller

Eigentlich sind E-Scooter nichts Neues. Bereits 1915 gab es in den USA das sogenannte Autoped. Das war ein kleiner, faltbarer Tretroller mit Motor. Im Jahre 1919 kam der Scooter auch nach Deutschland, genannt Krupp-Roller. Doch schon nach drei Jahren wurde die Produktion mangels Nachfrage wieder eingestellt.

Eine der größten Attraktionen von E-Scootern ist ihre umweltfreundliche Natur. Im Vergleich zu herkömmlichen Fahrzeugen emittieren sie keine schädlichen Abgase und tragen somit zur Verbesserung der Luftqualität in den Städten bei. Dies ist besonders wichtig, da Luftverschmutzung ein ernstes Problem ist, das die Gesundheit der Bewohner beeinträchtigt. Durch die Nutzung von E-Scootern können Städte also einen großen Schritt in Richtung einer saubereren und grüneren Zukunft machen.

Kritiker dagegen behaupten, “E-​Trottis” (und E-​Bikes!) wirkten nur klimaschonend, seien es aber nicht, weil geteilte E-Scooter momentan “hauptsächlich den Öffentlichen Nahverkehr, das Fahrrad und das Zu-Fuß-Gehen ersetzen.” Und diese Fortbewegungsarten seien deutlich umweltfreundlicher als Elektroroller. Die selben Autoren räumen allerdings ein, dass es Möglichkeiten gibt, die Bilanz zu verbessern, etwa durch bessere Integration mit dem ÖPNV. “Würden E-Scooter, E-Bikes und ÖPNV besser verzahnt, könnten sie gemeinsam eine attraktive Alternative zum PKW sein.

E-Scooter regen auf

Darüber hinaus fördern E-Scooter auch die körperliche Aktivität und Gesundheit. Im Gegensatz zu Autos oder öffentlichen Verkehrsmitteln erfordern sie eine gewisse körperliche Anstrengung, um sie zu steuern. Das Fahren mit dem E-Scooter ist daher nicht nur eine praktische Möglichkeit, sich fortzubewegen, sondern auch eine Form der Bewegung, die den Körper fit hält. Viele Menschen nutzen daher E-Scooter nicht nur als Transportmittel, sondern auch als Freizeitaktivität.

Die Einführung von E-Scootern in den Städten hat jedoch auch einige Herausforderungen mit sich gebracht. Ein häufiges Problem ist die unsachgemäße Abstellung der Roller, die Gehwege und öffentliche Plätze blockieren kann. “Sie kamen, rollten – und regten die Leute auf,” berichtete die Deutsche Welle schon vor einem halben Jahrzehnt. “Sie stehen im Weg, verursachen Unfälle und sehen dazu noch doof aus – so lassen sich die Gegenargumente und Statistiken in etwa zusammenfassen, die von Stadtbewohnern oder Polizeisprechern rauf und runter zitiert wurden.” 

Um dieses Problem zu lösen, haben viele Städte spezielle Regeln und Vorschriften für die Nutzung von E-Scootern eingeführt. Zum Beispiel müssen die Nutzer bestimmte Bereiche für das Parken verwenden oder die Roller nach Gebrauch an festgelegten Stationen abgeben.

Bildervergleich: Wer steht mehr im Weg? Steht überhaupt jemand im Weg?

E-Scooter und Unfälle

“Um fast 50 Prozent ist die Zahl der E-Scooterunfälle, bei denen Menschen verletzt wurden, gestiegen. Viele der Verunglückten waren jünger als 25 Jahre. Und oftmals war Alkohol im Spiel. Jetzt werden Rufe nach mehr Kontrollen laut… Die deutlich höheren Unfallzahlen führte die Behörde auf die steigende Zahl von E-Scootern zurück”

Das meldet die Tagesschau im Mai 2023.

Das Statistische Bundesamt sagt es genauer: Bei 8260 Unfällen mit E-Scootern sind im Jahr 2022 Menschen zu Schaden gekommen. Elf Menschen starben bei E-Scooterunfällen (Vorjahr: fünf). Außerdem wurden 1234 Menschen schwer verletzt, 7651 leicht. Ein Drittel dieser Personenschäden (36,2 %) waren laut Amt Alleinunfälle – das heißt, es gab keinen Unfallgegner. Und die häufigsten Ursachen waren falsche Nutzung der Fahrbahn und Alkohol – also Gründe, die auch bei anderen Verkehrsmitteln eine Rolle spielen.

“Insgesamt spielen E-Scooter im Unfallgeschehen eine vergleichsweise geringe Rolle: 2022 waren deutschlandweit bei Unfällen mit Personenschäden nur 2,9 % ein E-Scooter-Fahrer oder eine E-Scooter-Fahrerin. Deutlich wird der Unterschied im Vergleich zu Fahrradunfällen: Ein Drittel (33,7 %) aller Unfälle mit Personenschaden – rund 97 000 deutschlandweit – hatten eine Beteiligung von Fahrradfahrerinnen und -fahrern Dabei starben 470 Fahrradfahrerinnen und -fahrer, 15 925 wurden schwer verletzt, 81 269 leicht.”

Statistisches Bundesamt

E-Scooter zunächst gewöhnungsbedürftig

Um Unfallgefahren durch Stürze zu reduzieren hatte der deutsche Anbieter Tier in Berlin E-Ausleihscooter testweise mit integriertem Helm ausgestattet. Der lag in einer Smartbox, die einen faltbaren Helm enthielt. Freigeschaltet wurde das gute Kopfschutzstück via Handy-App. So konnte jeder Nutzer selbst entscheiden, ob er den Helm tragen wollte. Das zu tun ist sinnvoll, denn laut WHO-Studien werden die meisten schweren Verletzungen bei Fahrrad- und E-Scooter-Fahrern durch ein Kopftrauma verursacht.

Hygienebedenken gegen die öffentlich nutzbaren Leihhelme gab es laut Tier nicht, da die Smartbox sauber verpackte Haarnetze enthielten. Außerdem seien Scooter mit Kupfer-Tape an den Griffen ausgestattet, erklärte das Unternehmen. Die würden selbsttätig 99,8 % aller Viren in wenigen Minuten abtöten. Einige Helme – die man freilich selbst kaufen muss – bieten außer Sicherheit noch smarte Funktionen wie Licht, Musik, Telefonie oder einen Blinker.

Trotz solcher Herausforderungen sind E-Scooter zu einer festen Größe in vielen Städten geworden. Sie bieten eine flexible und bequeme Möglichkeit, sich fortzubewegen, und haben das Potenzial, den Verkehr und die Umweltbelastung erheblich zu reduzieren. Mit fortschreitender Technologie werden E-Scooter immer effizienter und sicherer, was dazu beiträgt, dass sie noch mehr Akzeptanz und Nutzung finden.

E-Scooter sauber geparkt
Sauber aufgestellt – so soll’s sein…

E-Scooter und die Lust auf Zukunft

Vielleicht liegt ein Grund für die leidenschaftliche Ablehnung, die E-Scooter erfahren, auch darin, dass sie von einem Tag auf den anderen auf den Straßen standen. Eine “Eingewöhnungszeit” für die Verkehrsteilnehmer hat es nicht gegeben. Und wo urplötzliche Neues auftaucht, empfinden manche Menschen es als störend oder gar als Bedrohung. Andere Sharing-Angebote wie Autos, Fahrräder oder Mopeds, hat es zuvor schon gegeben.

“Die Scooter kamen, ohne dass sie jemand kannte.”

Deutsche Welle

Doch nun sind sie da. Und wir lernen gerade, mit ihnen umzugehen. Der oben schon zitierte Prof. Dr. Großterlinden rät: “Ich empfehle auf dem E-Scooter dringend das Tragen eines Helmes – und darüber hinaus sollte man das Fahren eines E-Scooters unbedingt üben und sich nicht einfach in den Verkehr stürzen!” Recht hat er. Auch das Fahren mit dem Fahrrad, mit dem sich Manche eher wackelig als elegant und von sehr jung bis sehr alt führerscheinlos auf die Straßen trauen, will erst gelernt sein.

Die Regeln für E-Tretroller sind in Europa von Land zu Land verschieden – und sie können in Städten, Provinzen oder Regionen variieren. Die Landesverkehrswacht NRW gibt einen kleinen Überblick

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass E-Scooter eine bemerkenswerte Erfindung sind, die die Art und Weise, wie wir uns in den Städten fortbewegen, revolutioniert hat. Sie reduzieren nicht nur das Verkehrsaufkommen, sondern bieten auch eine erschwingliche und bequeme Möglichkeit, sich fortzubewegen.

Die Gefahr, die vom Fahren mit E-Scootern ausgeht, erfordert jedoch Respekt und Vorsicht sowohl von den Betreibern als auch von der Öffentlichkeit. Wir müssen sicherstellen, dass E-Scooter verantwortungsvoll genutzt werden, wobei die Sicherheit an erster Stelle steht. Um dies zu erreichen, sollten wir in die Infrastruktur und Entwicklung investieren, um die Nutzung von E-Scootern zu unterstützen, Sicherheitsvorkehrungen zu treffen und mehr über die mit E-Scootern verbundenen Gefahren zu erfahren.

“Sicherheit ist keine Spielerei, sondern eine Geisteshaltung”.

Winston Churchill

Festzuhalten ist: Die Revolution der Mobilität hat begonnen und die E-Scooter sind ein Vorreiter dieser Bewegung. Mit ihrer Fähigkeit, Städte zu erobern und den Alltag der Menschen zu verändern, sind sie ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie innovative Technologien die Art und Weise, wie wir uns fortbewegen, grundlegend transformieren können. Es ist sicherlich aufregend zu beobachten, wie sich die E-Scooter weiterentwickeln und welche Auswirkungen sie auf unsere Städte und unsere Gesellschaft haben werden.