Europäische Top-Ten-Themen der Woche
Von WOLF ACHIM WIEGAND 🇪🇺
Was hat Europas Macher vergangene Woche an- und umgetrieben?
Das war ein ganz besonderes Gipfeltreffen: Auf der Vulkaninsel Island trafen sich zum erst vierten Mal in der 74jährigen Geschichte des Europarates die Staats- und Regierungschefs der 46 Mitgliedstaaten. Die pan-kontinentale Hüterin der europäischen Menschenrechte hatte in Reykjavik nur ein Thema: Wie umgehen mit dem russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine?
Beim letzten Gipfel vor 18 Jahren in Warschau hatte Außenminister Sergej Lawrow noch vor der europäischen Familie erklärt, Russland „war, ist und wird eine große europäische Nation sein“. Heute ist das Land wegen des Angriffes auf die Ukraine ausgeschlossen und der Internationale Strafgerichtshof sucht Präsident Wladimir Putin mit Haftbefehl. Mehr dazu unten.
DAS ALLES UND NOCH VIEL MEHR ⤵️
EU-Wahltermin ist klar:
Die nächste Europawahl in Deutschland wird am 9. Juni 2024 stattfinden. Das hat die schwedische EU-Ratspräsidentschaft bekanntgegeben. Einige Länder Europas wählen bereits ab 6. Juni 2024. Bei der Europawahl geht es um 705 Mandate für die Amtszeit bis 2029. Das Europäische Parlament ist die einzige direkt gewählte Institution des 27-Staatenverbundes.


Hausarbeiten für EU-Kandidaten:
Bei aller Freude über die vielen Interessenten an einer EU-Mitgliedschaft – die Bewerber müssen noch Schularbeiten machen. Darauf hat Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi hingewiesen. Der Ungar sagte bei einem Forum in Sofia, alle Länder müssten zu mutigen Entscheidungen bereit sein, insbesondere im Westbalkan, wo es noch zu viele und veraltete Kohlekraftwerke gebe. Defizite sieht der Politiker auch noch bei Digitalisierung, Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung. Als Positivbeispiel nannte Varhelyi Albanien, das eine umfassende Reform des Justizsystems eingeleitet habe.
Archiv für Kriegsfolgen:
Der zweitägige Gipfel des Europarates ist im isländischen Reykjavik mit Bekenntnissen für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit beendet worden. Die Staats- und Regierungschefs der 46 Mitgliedsstaaten wollen der russisch angegriffenen Ukraine beim Wiederaufbau helfen. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von einer „Marschallplan-Dimension“ Europas. 40 Länder sowie die USA, Kanada, Japan und die EU richteten ein Schadensregister zur Dokumentation der Aggressionsfolgen ein. Armenien, Aserbaidschan, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Ungarn und die Türkei waren dagegen. Der Europarat ist die führende Menschenrechtsorganisation Europas. Er wurde 1949 als erste große europäische Nachkriegsorganisation gegründet. rnd.de
Dezenter Kriegsrat:
In der irischen Küstenstadt Cork saßen die ganze Woche über die 27 obersten Kommandeure der EU- und NATO-Marinen beisammen, um über russische Bedrohungen auf See zu sprechen. Offiziell wurde das betont unauffällig gestaltete Treffen als “informelles, unabhängiges und unpolitisches Forum” bezeichnet. In Wirklichkeit ging es um den Umgang von Europas Seestreitkräften mit neuen Herausforderungen wie dem Einsatz künstlicher Intelligenz und maritimer Drohnen. Sorge machen den Militärs die Aktivitäten russischer Schiffe in EU-Gewässern, insbesondere in der Nähe von Unterseekabeln und Energieinfrastruktur. irishtimes.com
Entzweiender Klimastreit:
Ein Jahr vor der Europawahl kämpfen die politischen Lager im EU-Parlament mit harten Bandagen um die Klimapolitik Europas. Der liberale Vorsitzende des Umweltausschusses, Pascal Canfin (Frankreich), wirft den Christdemokraten (EVP) unter dem CSU-Abgeordneten Manfred Weber einen „Kreuzzug“ vor. Dessen Fraktion lehnt zwei wichtige Vorschläge im Landwirtschaftsbereich ab: die geplante Pestizidverordnung und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur. Damit gefährde Weber in Kooperation mit Rechtsextremen den gesamten Green Deal der Europäischen Union. Ein Einlenken ist bislang nicht erkennbar.
Ärmelkanal abdichten:
Die Europäische Union und das Vereinigte Königreich haben sich nach jahrelangem Streit darüber geeinigt, bei der Bekämpfung illegaler Einwanderung über den Ärmelkanal zu kooperieren. Premierminister Rishi Sunak und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zimmerten den Kompromiss am Rande des Europarat-Gipfeltreffens in Reykjavik. Nun wird es Verhandlungen Londons mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex geben. Aus Gründen der Vertraulichkeit werden bislang keine Details genannt. Der konservative Sunak steht für einen knallharten Kurs gegen Menschen, die zu Tausenden auf meist ungeeigneten Booten vom Festland aus auf die Britische Insel übersetzen. bloomberg.com twitter.com (O-Ton Sunak)
Luftaufklärung:
Satellitenbilder zeigen, wie China in Rekordzeit gewaltige Autowerke hochzieht. Europäische Autobauer könnten laut Analyse vor einem Verlust von mehr als sieben Milliarden Euro an jährlichem Nettogewinn stehen. Schon bald dürfte der größte Automobilproduzent Europas, VW, ebenso wie andere Giganten in der Volksrepublik vom Thron gestoßen werden. wiwo.de/technologie
Putin-Propaganda flutet EU:
„Russland investiert Milliarden in seine Propaganda und wir setzen dem kaum etwas entgegen.“ Diese knallharte Kritik an der Europäischen Union kommt aus der Mitte ihres Machtzentrums. Věra Jourová, die EU-Kommissarin für Werte und Transparenz, warnt, das Narrativ, Russland sei in der Ukraine kein Aggressor, sondern das Opfer, sei in vielen europäischen Ländern „auf dem Vormarsch“: „Wir unterschätzen bis heute den Einfluss der russischen Propaganda.“ Putins Russland sei „ein monströses Land“, sagt die 58jährige Tschechin. in Deutschland besorge sie „die Unterwanderung der Friedensbewegung“. Links- und rechtsextreme Politiker seien „die Soldaten des russischen Informationskrieges.“ bild.de

Regulierung von Kryptogeld:
Die EU-Staaten wollen den Handel mit computererzeugten Zahlungsmitteln, also Kryptowährungen wie Bitcoin, besser kontrollieren und einfacher Steuern erheben. Das haben die Finanzminister der 27 Mitgliedsstaaten in einem Maßnahmenbündel beschlossen. So müssen Firmen, die innerhalb der EU mit dem Kunstgeld handeln wollen, ab 2026 eine Lizenz erwerben. Damit sollen Betrug und Geldwäsche bekämpft werden. cio.de westfalium.de (Kryptoszene) geldinstitute.de (Risiken)
Landwirtschaft und Vogelschutz – geht das?
Die industriell betriebene Intensivlandwirtschaft soll schuld am Vogelsterben in Europa sein. Das behauptet eine neue Großstudie. Danach hat die EU in den vergangenen vier Jahrzehnten etwa 600 Millionen Vögel verloren – das sind 40.000 Vögel pro Tag. Feldvogelarten wie Rebhühner und Kiebitze stünden vor dem Aussterben, da Pestizide und Düngemittel die Nahrung der Insektenfresser killten. Nötig sei nun ein „großer Wurf“ in der Agrarpolitik Europas. Deutsche Forscher bemängeln allerdings Versäumnisse der französischen Studienautoren.


Premiere: Scholz’ Ehefrau erstmals in Übersee dabei – Die Aktentasche reist schon seit 40 Jahren mit…
Unmittelbar nach dem zweitägigen Gipfel des Europarates in Reykjavik ist Olaf Scholz am Vatertag erstmals mit Ehefrau Britta Ernst im Schlepptau nach Übersee zum G7-Gipfel in Japan weitergeflogen. Die 62jährige hat Zeit dazu, denn sie ist erst kürzlich von ihrem Posten als Bildungsministerin in Brandenburg zurückgetreten. In Olafs 17 Monaten im Amt kam Ernst bislang nur zu einem Termin außerhalb Deutschlands mit – zum Finale der Fußball-Europa-Meisterschaft mit der deutschen Nationalmannschaft im Wembley-Stadion, London. Unterdessen rätselt die Fachwelt über die Frage, was Scholz dereinst mit seiner Aktentasche macht. Das ausgebeulte und rauh zerkratzte Lederding ist schon seit vier Jahrzehnten stets dabei – und enthält nach Angaben ihres Besitzers nur “Langweiliges”: “Meine Lesebrille, Tageszeitungen und natürlich Akten…” t-online.de (Olaf und Britta) zdf.de (Ledertasche)

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Ab nach Bulgarien:
Die bisherige EU-Kommissarin für Forschung und Innovation, Mariya Gabriel, hat Brüssel verlassen, um in Sofia als designierte Regierungschefin von Bulgarien eine Koalition zu zimmern. Nicht jeder in ihrem Umfeld ist darüber traurig. Die 58jährige gilt als fachlich erfolgreich, aber im Umgang als harte „Nuss“ mit hohem Mitarbeiterverschleiss und Kontrollwahn. Diese Eigenschaften könnte die Christdemokratin nun brauchen, denn sie soll Nachfolgerin ihres Mentors Bojko Borissow werden, der selbst nicht als zimperlich gilt. Gabriel hat nur sieben Tage Zeit, eine tragfähige Ministerriege für das politisch verworrene EU-Land Bulgarien zu formen. politico.eu/

Boris Johnson wird zum 8. Mal Vater
Der ehemalige Premierminister Alexander Boris de Pfeffel Johnson (58) und seine dritte Ehefrau Carrie (35) erwarten ihr drittes Kind. Das geht aus einem Insta-Post hervor. “Neues Teammitglied kommt in ein paar Wochen“, schrieb die werdende Mutter auf der Social-Media-Seite.
Sie fügte hinzu: “Ich habe mich in den letzten 8 Monaten ziemlich erschöpft gefühlt, aber wir können es kaum erwarten, den Kleinen kennenzulernen. Wilf ist ganz aufgeregt darüber, wieder ein großer Bruder zu sein und plappert ununterbrochen darüber. Ich glaube nicht, dass Romy eine Ahnung hat, was auf sie zukommt… Das wird sie aber bald!” (Sohn Wilfred Lawrie Nicholas ist drei Jahre alt, Tochter Romy eins)
Herzlichen Glückwunsch an alle. Für den konservativen Politiker ist es bereits das achte Kind.
Lara Lettice Johnson ist mit 30 Jahren das älteste, sie ist Kunst- und Modejournalistin für Tatler und Vogue und mit dem deutschen Kreativdirektor Patrick Müller verheiratet. Es folgen: Milo Arthur Johnson (28), Cassia Peaches Johnson (26), Theodore Apollo Johnson (24, Student) und Stephanie Macintyre (14). Die meisten Kinder lehnen ihren Vater ab.

Überall Lob:
Mit einhelliger Zustimmung reagierten Politiker auf die Verleihung des Internationalen Karlspreises zu Aachen an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und das Volk des russisch angegriffenen Landes. Urkunde und Medaille wurden für Verdienste um Europa und die europäische Einigung vergeben. Die Auswahl hatten kraft Amtes u.a. der Aachener Oberbürgermeister, der Dompropst in Aachen und der Rektor der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen getroffen.
“Geht raus, und steht dafür ein, was Freiheit ist!”
Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, bei der Verleihung des Karlspreises zu Aachen an ihn
Krieg in der Ukraine:
“Die EU wird jetzt sehr hart… und Putin ist sehr isoliert.”
Michael Clarke, britischer Militärwissenschaftler in einer ausführlichen Analyse nach einem Treffen des ukrainischen Präsidenten Wolodymir Selenskyj mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak
“Für jede Generation kommt der Moment, an dem sie für Demokratie – für das, woran sie glaubt – aufstehen muss. Dieser Moment ist jetzt für uns gekommen.”
Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin

Gibt’s nicht.