Darum geht es: Die europäischen Liberalen (ALDE Party) haben ihre paneuropäische Parteimitgliedschaft gestrichen.. Das kleinliche Nationaldenken hat damit über den europäischen Gedanken gesiegt.
Stockholm (waw) – Die europäischen Liberalen haben sich über Pfingsten selbst ins Bein geschossen. Auf dem Jahreskongress in Stockholm strich der 70-Parteien-Dachverband ALDE Party nach monatelanger Diskussion seine transeuropäische Bürgervereinigung ALDE Individual Members (AIM) aus der Satzung.
Damit verzichten die Liberalen auf ein Alleinstellungsmerkmal in der Parteienfamilie. Nur sie boten zahlungswilligen Einzelpersonen die Möglichkeit, als engagierte Europäer einer transeuropäischen politischen Gruppierung anzugehören – inklusive Antrags-, Rede- und Stimmrecht. Einzige Voraussetzung: Ein Bekenntnis zu den Werten des Liberalismus: Freiheit, Individualität, Fortschritt, Solidarität. Man musste nicht einmal Mitglied einer nationalen Partei sein, etwa der deutschen FDP, Radikale Venstre (Dänemark), VVD (Niederlande), Ciudadanos (Spanien) oder einer der über 70 anderen ALDE-Mitgliedsparteien.

So proeuropäisch war keine andere europäische Parteifamilie. Die ALDE-Individualmitglieder waren ein Jahrzehnt lang quasi die fleischgewordene Vorwegnahme der wahrscheinlichen europäischen Zukunft, nämlich mit EU-weit organisierten Parteien. Die Abschaffung von AIM hinterlässt ein Jahr vor den Europawahlen einen schalen Beigeschmack bei Tausenden Liberalismus-affiner Europäer. Für sie wurde das Versprechen einer grenzüberschreitenden Beteiligung an der liberalen europäischen Bewegung ohne nationales Parteidenken über Nacht gebrochen.
“Jetzt trete ich wahrscheinlich der neuen Europapartei VOLT bei”
Ein enttäuschtes AIM-Mitglied
Zu viele Schwächen
Der Vorgang offenbart eine große Schwäche der Parteien in Europa – nicht nur bei den Liberalen. In Sonntagsreden bekennen sich Politiker aus allen Lagern – außer den Extremisten – zur europäischen Einigung. Vor allem die Liberalen sind da ganz vorn. Ob Integrationsbekenntnisse wie der rasche Aufbau einer europäischen Armee bis hin zur Vision von Vereinigten Staaten von Europa – viele Liberale sind bereit, nationale Bedenken abzuwerfen und gesamteuropäisch zu denken. Umso unverständlicher ist das Aus für die einzige parteiähnliche Gruppierung, bei der Schlagbäume keine Rolle spielen.
Doch es scheint: Wenn es hart auf hart kommt, dann regiert immer noch das kleinliche Nationaldenken. Der „Rauswurf“ der AIM wurde vor allem von den britischen Liberaldemokraten und ihrer Oberhausabgeordneten Sal Brinton vorangetrieben, die in ihrer Partei nicht unumstritten ist. Der Tritt kam also ausgerechnet von einer ALDE-Mitgliedspartei, die wegen des Brexits europapolitisch eher nicht mehr so europäische bedeutsam ist. Auf der anderen Seite standen die Freien Demokraten aus Deutschland, die AIM im Jahre 2011 mit Begeisterung mitbegründet hatten und die beim ALDE Congress wie keine andere Delegation vehement für den AIM-Erhalt eingetreten waren.

Die Tatsache, dass die Delegierten des ALDE-Kongresses einer europapolitisch eher irrelevanten Partei gefolgt sind, offenbart eine weitere Schwäche der ALDE. Zu viele Kräfte von außerhalb der EU reden ein Wörtchen mit. Dies hat auch die Entwicklung der AIM-Gruppierung zu einer starken Basisbewegung für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit behindert.
Pflänzchen zertreten
Die Schaffung einer grenzenlosen liberalen Unterstützerszene ist auch finanziell ein Schuss ins eigene Knie. Denn die Mitgliedsbeiträge, die Höhen der FDP erreichten, sind von den EU-Behörden um ein Vielfaches gehebelt worden – Geld, das jetzt ausgerechnet ein Jahr vor der Europawahl fehlt.
Dass AIM selbst durch schlechte Führung aufgefallen ist und den Blockierern insofern in die Hände gespielt hat, ist kein Argument für ihre Abschaffung. Die ALDE Party hat eine gute Idee ohne Not beerdigt. Anstatt das in der europäischen Bevölkerung verwurzelte Pflänzchen zu begießen, hat die farblose Führung unter dem irischen Senator Timmy Dooley (Fianna Fáil) und dem bulgarischen Europaabgeordneten İlhan Küçük (MRF) die Saat zertreten lassen.
Der Schaden für die Glaubwürdigkeit der europäischen Liberalen ist immens.
Transparenzhinweis: Ich war bisher Koordinator der ALDE-Individualmitglieder in Deutschland und sitze im Bundesfachausschuss für Internationale Politik der FDP.
Es gibt derzeit nur eine Partei, die für eine demokratische , föderative Europäische Union eintritt mit Wahl eines gesetzgebenden Parlaments, Volt Das derzeitige EU-Parlament besitzt nur Zustimmungsrechte. Mitentscheidend ist der Rat der EU und meist die natiionalen Parlamente. (vgl. Art. 4 des AEUV.)