Europäische Top-Ten-Themen der Woche
Von WOLF ACHIM WIEGAND 🇪🇺
Was hat Europas Macher vergangene Woche an- und umgetrieben?
Der EU-Berg hat gekreist und nach acht Jahren einen Asylkompromiss geboren. Es war aber ein Hängen und Würgen. Und: Noch in der Sekunde des Beschlusses ist die Mehrheitsentscheidung der EU-Innenminister zerrissen worden – von linken Grünen, von beseelten Promis, von den rechtsnationalen Regierungen in Polen und Ungarn. Es wird spannend, ob das Papier, auf dem der Beschluss geschrieben wurde, im weiteren EU-Beschlussverfahren so wertvoll bleibt, wie gedacht!
Unterdessen ist EU-Bösewicht Polen gleich zwei Mal von Europa verhauen worden. Einmal juristisch und einmal politisch. Mehr dazu unten…
DAS ALLES UND NOCH VIEL MEHR ⤵️

EU gebiert Migrationskompromiss:
Das größte Streitthema der Europäischen Union, ein gemeinsames System gegen illegale Migration, ist grob gelöst worden – und stößt sofort auf Widerstand. Nach achtjährigen Diskussionen haben die EU-Innenminister in Luxemburg beschlossen, die Asylregeln deutlich zu verschärfen:
- Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten sollen an der EU-Grenze in streng kontrollierte Lager kommen,
- Asylanträge sollen innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden,
- Erfolglose werden schnell abgeschoben.
Nancy Faeser als Innenministerin der deutschen Ampelkoalition hat Abmilderungen z. B. für unbegleitete Kinder durchsetzen wollen, drang aber nicht durch. Sie und der Kompromiss werden nun stark von den deutschen Grünen kritisiert, wo viele die neue Härte ablehnen. Gegen den Mehrheitskompromiss stimmten Polen und Ungarn, die alles zu milde finden.
Das letzte Wort liegt bei EU-Parlament und -Regierungschefs. Dutzende Prominente wie Herbert Grönemeyer, die Band Revolverheld oder Schauspielerin Katja Riemann hatten gewarnt: sueddeutsche.de spiegel.de (Prominente). Einen Artikel zur Einigung können Sie hier finden. Die Reaktion aus Deutschland können Sie hier nachlesen.
An die Kandare, Abgeordnete!
Eine Art „Ethikrat“ aus Politikern, Beamten und Experten soll rasch verbindliche Verhaltensregeln für alle EU-Institutionen austüfteln, um Schmiergeldskandale – wie kürzlich im Europäischen Parlament – auszutrocknen. Das hat die Europäische Kommission vorgeschlagen. Ziel: Betroffene müssen geheime Nebeneinkünfte und Interessenkonflikte offen legen. Der Plan fiel umgehend auf Kritik. So nennen die Liberalen ihn “leer” und wollen ihn ablehnen. Das Europäische Parlament gilt als im Vergleich zu nationalen Parlamenten als besonders intransparent. Das Thema Korruptionsbekämpfung könnte den Europawahlkampf kommendes Jahr prägen, glauben Beobachter in Brüssel. srf.ch/news
Europagericht maßregelt Polen:
Am Tag nach der Massendemonstration in Warschau gegen den Umbau des Justizsystems hat das höchste Gericht der Europäischen Union die Reform aus dem Jahre 2019 endgültig für rechtswidrig erklärt. So werde das Recht von Richtern auf Privatleben verletzt, weil sie Angaben zu Mitgliedschaften bis hin zu politischen Parteien machen müssten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) gab mit dem Spruch einer Klage der EU-Kommission statt.
Die nationalkonservative Regierung Polens steht seit Längerem im Fadenkreuz internationaler Kritik und sie weigert sich, EuGH-Urteile umzusetzen. Das kostet wöchentlich 3,5 Millionen Euro an Strafzahlungen. Bis heute erfülle Polen die Auflagen nicht, beklagt EU-Justizkommissar Didier Reynders. Weitere Verfahren sind anhängig. spiegel.de https://curia.europa.eu (Urteil im Wortlaut)
Auch EU-Kommission knöpft sich Polen vor:

Nach der Verurteilung der polnischen Justizreform (Meldung oben) durch den Europäischen Gerichtshof ist unser Nachbarland erneut ins juristische Visier geraten. Die Europäische Kommission eröffnet ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren gegen die rechtskonservative Regierung in Warschau. Dabei soll ermittelt werden, ob Beamte unter russischem Einfluss gestanden und der Sicherheit des Landes geschadet haben. Ziel der Handlungen soll gewesen sein, den liberalkonservativen Oppositionspolitiker Donald Tusk kalt zu stellen. faz.net
Doppelköpfige EU-Grüne:
Die europäischen Grünen wollen zur Europawahl im kommenden Jahr mit einer männlich-weiblichen Doppelspitze antreten. Das beschloss deren Dachverband EGP in Wien. Das Duo soll im Februar bei einem Wahlkongress der 44 Mitgliedsparteien bestimmt werden. Als Ziel der Wahlkampagne gab der österreichische Vizekanzler Werner Kogler unter anderem aus, eine rechte Mehrheit im Europäischen Parlament zu verhindern.
Die Grünen sind im EP mit 10,4 % viertstärkste Kraft und derzeit an fünf der 27 EU-Regierungen beteiligt. Die als ALDE Party organisierten Liberalen und drittstärkste Kraft im EP hatten sich kürzlich in Stockholm für eine Einzelbewerberin als Kommissionspräsidentin ausgesprochen, wofür die dänische Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager im Gespräch ist. puls24.at

Russland schreibt Westeuropa ab:
„Eines kann ich mit Sicherheit sagen: Eine Rückkehr in die ‚helle‘ europäische Vergangenheit wird es nicht geben… Analytiker ‚von früher‘, die sich wie Läuse vermehrt und über den schmierigen europäischen Körper in alle Richtungen verstreut haben, können und wollen eine einfache Wahrheit nicht verstehen: Russland ist heute ein völlig anderes Land als in der Vorkriegszeit.“
Dmitri Medwedew, Ex-Präsident von Russland

EU will Wärmepumpenpflicht – wirklich?
Der deutsche Streit um den Pflichteinbau von Wärmepumpen anstelle von Gasheizungen hat eine europäische Dimension bekommen. Laut Medienberichten will die EU-Kommission spätestens ab 2029 fast ausschließlich nur noch Kraftwärmemaschinen für den Neueinbau erlauben, die umgekehrt wie eine Klimaanlage aus Kaltluft die Wärme erzeugen. Aber: Ob Brüssel wirklich ein “härterer Heiz-Hammer als Habeck” vorschwebt, das ist unklar. Die Kommission gab bis Redaktionsschluss kein klares Statement ab. Und: Das geleakte Arbeitsdokument ist keine Endfassung. Empörungspotenzial enthält es trotzdem. t-online.de
Knallharter Kampf um KI

Hinter den Brüsseler Kulissen läuft ein heftiger Kampf um die Kontrolle künstlicher Existenz (KI). Nachdem der Mikroblogging-Dienst Twitter den freiwilligen EU-Verhaltenskodex gegen Desinformation verlassen hat, kündigte die EU-Kommissarin für Werte und Transparenz, Věra Jourová, ein hartes Durchgreifen gegen das Unternehmen von Elon Musk an: „Twitter will Konfrontation.“ Zugleich forderte sie Konzerne wie TikTok, Google und Microsoft dazu auf, Kennzeichnungen für KI-generierte Texte und Bilder zu entwickeln, um Trickserei bei bei Text, Bildern, Audio und Video kenntlich zu machen. Sie werde „böswilligen Akteuren zur Generierung von Desinformationen“ einen Riegel vorschieben, warnte Jourová. germany.representation.ec twitter.com (O-Ton Jourová)
Nordseerechnung ohne den Wirt:
Neun europäische Länder haben kürzlich mit großem Trara beschlossen, gemeinsam die Nordsee zum größten nachhaltigen Energiezentrum der Welt zu machen. Dazu investieren sie massiv in Windparks, Ölbohrplattformen und Pipelines. Doch die Regierungen haben zu wenig bedacht, dass mysteriöse russische Schiffe die Anlagen ausspionieren und planmäßig kartieren, warnen Experten. Jetzt müsse dringend ein umfassendes Sicherheitskonzept für kritische Infrastruktur her. channel16.dryadglobal.com
EU wirbt um Südamerika:
Die Europäische Union (EU) setzt beim Versuch, weniger Abhängigkeit von den Supermächten zu bekommen, auf verstärkte Partnerschaft mit Südamerika und der Karibikregion. Das geht aus einem neuen Arbeitsplan hervor, den der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell vorgelegt hat. Darin schlägt er engere und moderner konzipierte Beziehungen mit den Ländern von Mexiko bis Argentinien vor, insbesondere durch Abkommen über den Handel mit kritischen Rohstoffen wie Kupfer, Lithium, Erdöl und Erdgas. Meinungsverschiedenheiten über den Einmarsch Russlands in die Ukraine machen das nicht zum Selbstgänger. ec.europa.eu/commission

EU fördert psychische Gesundheit:
Die Europäische Union will künftig mehr für Menschen mit seelischen Problemen tun und ihre Erkrankungen den körperlichen Gebrechen gleichsetzen. Das Maßnahmenpaket der EU-Kommission besteht aus 20 Leitinitiativen und umfasst 1,23 Mrd. EUR. Ziele: Verbesserung von Prävention, Behandlung und Pflege sowie leichtere soziale Wiedereingliederung nach der Genesung. „Für die vielen Menschen, die sich ängstlich und verloren fühlen, kann eine angemessene, zugängliche und erschwingliche Unterstützung den entscheidenden Unterschied ausmachen,“ heißt es in dem Papier. ec.europa.eu/commission
Gerichtshof verurteilt Russland:

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Russland wegen mangelhafter Ermittlungen im Fall des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny verurteilt und ihm Entschädigung zugesprochen. Die Rechte des schwer Erkrankten seien verletzt wollen, weil die Justiz sich geweigert habe, eine strafrechtliche Untersuchung des an ihm versuchten Giftmordes einzuleiten. Da Russland aus dem Europarat ausgetreten ist, kann die Entscheidung gegen Moskau nicht durchgesetzt werden, hat aber große Symbolkraft. Ein Moskauer Gericht hat Nawalny unterdessen für einen neuen Prozess vorgeladen, der ihn für weitere Jahrzehnte ins Gefängnis bringen könnte. spiegel.de (Foto: Nawalny mit Familie nach Giftmordversuch in Berliner Klinik, 2020)
Schweden quasi qualmfrei:
Als einzigem EU-Land könnte es Schweden gelingen, bereits dieses Jahr die „erste tabakfreie Generation in Europa“ zu haben. Aus Medienberichten geht hervor, dass in der skandinavischen Nation wohl weniger als fünf Prozent der Bürger Tabak konsumieren – das reicht für den „Titel“. So einen Wert peilt die EU-Kommission länderübergreifend erst für 2040 an. Unterdessen sind die Raucherquoten in Deutschland laut Studie gestiegen: 34,4 Prozent der über 14-Jährigen greifen zu Zigaretten, Zigarillo oder ähnlichen Produkten. merkur.de
