Griff in die Geschichtsbox von Wolf Achim Wiegand
Bericht von der Einweihung des Wasserwerks am Rheinufer in Bonn als provisorischer Ersatzplenarsaal des Deutschen Bundestages
(Bonn/waw) – Am 9.9.1986 zog der Deutsche Bundestag in Bonn in das kleine Pumpenhaus eines ehemaligen Wasserwerkes um. Ich berichtete in einem News-Kurzbericht für das SAT.1-Fernsehen von dem Tag, als es eng wurde für die deutsche Politik.
Hintergrund:
Am 9. September 1986 weihte das Parlament den provisorisch ausgebauten Ersatzsaal mit einer kleinen Feier ein. Der Umzug war notwendig, weil der nahegelegene alte Plenarsaal des Bundeshauses in Bonn (1949 bis 1987) umgebaut werden sollte. Dass nur wenige Jahre später der Mauerfall (9. November 1989) kommen und der alte Reichstag in Berlin wieder bezogen werden würde – das wusste man im geteilten Deutschland damals noch nicht.
Das Pumpenhaus im früheren Wasserwerk beheimatete den Plenarsaal des Deutschen Bundestags von 1986 bis 1992/93. Es geht auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Mit nur 500 m² war der provisorische Plenarsaal im Wasserwerk weniger als halb so groß wie der alte Raum. Nur für 404 der 519 Abgeordneten gab es feste Plätze. Im Bedarfsfall wurden zusätzlich 36 Wandklappsitze benutzt sowie weitere Stühle im provisorischen Bundestag aufgestellt.

In seiner Eröffnungsrede bat Bundestagspräsident Philipp Jenninger (CDU) seine Abgeordnetenkollegen um Verständnis, „dass wir alle etwas zusammenrücken müssen; denn uns steht in diesem Raum weniger als die Hälfte der bisherigen Plenarsaalfläche zur Verfügung“.
Und so kam es, dass es bei der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 im Bundestag nicht genügend Platz für die zusätzlichen 144 Abgeordneten aus den Neuen Ländern – der ehemaligen DDR – gab. Zwar wurden die Armlehnen der Stühle im Wasserwerk entfernt und die Stuhlreihen noch enger aufgestellt. Aber nicht jeder Volksvertreter konnte jederzeit sitzen.
Deutsche Wiedervereinigung? Damals undenkbar…
Der heute in Betrieb befindliche Reichstag in Berlin wurde nach der Instandsetzung am Montag, 19. April 1999 eröffnet – ein Ereignis, mit dem dieses Datum in die Geschichtsbücher einging: das deutsche Parlament war ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Nazi-Regimes nach Berlin zurückgekehrt. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), der aus der Ex-DDR stammte, hatte zuvor aus den Händen des britischen Architekten Sir Norman Foster symbolisch den Schlüssel für das Berliner Parlamentsgebäude in Empfang genommen, dessen Hausherr er von da an war.
Aber davon handelt dieser Bericht nicht – die deutsche Wiedervereinigung schimmerte ja nicht einmal ansatzweise durch.
Ach ja, den Plenarsaal aus den Vor-Wasserwerk-Zeiten (seit 1949) im alten Bonner Bundeshaus gibt es nicht mehr. Er wurde 1987 trotz Bedenken der Denkmalpflege abgebrochen und an seiner Stelle bis 1992 ein Neubau errichtet.
Das Wasserwerk hingegen ist geschützt. Sein Gelände enthält international nutzbare Büro- und Konferenzräume. Es gehört zum World Conference Center Bonn und ist seit 2022 Teil des UN-Campus.