Immer wieder donnerstags publiziere ich meine Kurzkolumne “Wiegands Wahl Watch” im Printformat von FORUM — Das Wochenmagazin. Es geht um den Stimmenkampf für die Europawahl am 9. Juni. Was tut sich in den 27 EU-Ländern?
Sie können das auch online lesen. Hier Ausgabe 09 / 2024:
Auf dem Weg zur EU-Wahl
Ältere halten das EU-Zepter in der Hand
Wie interessiert man mehr Menschen für die europäische Idee? Durch Herabsetzung des Wahlalters bei der Abstimmung über das Europäische Parlament.
So jedenfalls dachten es sich die Gesetzgeber in Deutschland, Österreich, Malta und Belgien. In diesen vier der 27 EU-Mitgliedsländer darf man seine kontinentalen Volksvertreter schon mit 16 wählen.
„Wir wissen, dass Menschen, die schon in jungen Jahren mit dem Wählen beginnen, mit größerer Wahrscheinlichkeit auch später in ihrem Leben wählen gehen”
María Rodríguez Alcázar (28), Präsidentin Europäisches Jugendforum (EYF), eine Plattform nationaler Jugendvertretungen.
„Aber die Reife fehlt,“ widersprechen vor allem ältere Menschen den Wahlalterabsenkungen. Die überwältigende Zahl einschlägiger Studien bestätigt jedoch nicht, dass Jüngere es nicht packen.
Tatsächlich kann Europa eine Verjüngung außer beim Wahlalter auch in der aktiven Politik vertragen. In der einzigen direkt gewählten EU-Institution, dem Europäischen Parlament, sind nur sechs der 705 Abgeordneten jünger als 30 Jahre alt.
Problem: Europa ist ein zunehmend alternder Kontinent. Deshalb haben die Interessen der Älteren durchaus berechtigt eine starke Lobby. Tendenziell nimmt die Macht der jungen Generation in der EU daher eher ab als zu. Es ist schwer für junge Kandidaten, alte Hasen zu ersetzen.
Ein Song zur Europawahl
Im Seniorenalter angekommen ist auch die Punkrock-Band „Die Ärzte“ um den 61jährigen Berliner Sänger, Schlagzeuger und Komponisten Bela B. Aber was hat die Kapelle mit der Europawahl zu tun? Nun, das in der Szene tonangebende Trio promotet gerade seinen mehr ganz taufrischen Politsong „Demokratie“ als Wahlmobilisierungstool. Grund laut Bela B: Die Demokratie sei „ein besonders zu schützendes Gut“ geworden.
„Und falls du dich jetzt fragst, wie man die Welt verbessern kann: Wie wär’s mit Wählen geh’n?“
Song “Demokratie”, Die Ärzte
Was wünschen sich Otto Normaleuropäer eigentlich von der Politik? Antwort gibt eine kürzlich publizierte Ipsos-Euronews-Umfrage. Danach ist ein stärker sozial ausgerichtetes Europa der größte Herzenswunsch der Menschen zwischen Stockholm und Sizilien. Fast zwei Drittel aller Befragten äußerten sich entsprechend.
Der Befund deutet aufkommende Konflikte zwischen Wunsch und Wirklichkeit an. Denn angesichts enormer finanzieller Belastungen, die Europa allein wegen der russischen Bedrohung an Verteidigungskosten schultern muss, dürfte der EU-Sack mit Wohltaten nach der Europawahl in den kommenden Jahren kaum viel größer werden können. Es sei denn, Europa verschuldet sich weiter.
Eine zentrale Rolle beim Aufstellen künftiger Budgets spielt die Leitung der Europäischen Kommission. Europaweit glauben Beobachter, dass das erneut die christdemokratische EU-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen machen wird – alle Umfragen sehen ihre Parteiengruppierung vorn.
Doch der deutschen Ex-Verteidigungsministerin bläst der Wind ins Gesicht. Gegen die 65jährige ermittelt die Europäische Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf “Einmischung in öffentliche Ämter, Vernichtung von SMS, Korruption und Interessenkonflikten.” Es geht um Ungereimtheiten bei einer EU-Massenbestellung von Corona-Impfstoff. Warten wir ab, was daraus wird.
Nächste Woche mehr.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.