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⇒ Top­ic dieses Blogs: Die Bin­nen­schiff­fahrt in Wes­teu­ropa ist derzeit arg gebeutelt. Das wichtig­ste Geschäft, der War­en­trans­port aus und zu den See­häfen an der Nord­see, stockt seit Wochen. Grund sind Ladeprob­leme in Antwer­pen und Rot­ter­dam. Dass Eign­er und Kapitäne auf Flüssen und Kanälen bluten müssen, ist eine Auswirkung der weltweit­en Schiff­fahrt­skrise.

Von Wolf Achim Wie­gand

Antwerpen/Rotterdam (waw) – Das Schlimm­ste, was einem Schiff­seign­er passieren kann, ist ohne Ladung in einem Hafen warten zu müssen. Oder Ladung an Bord zu haben, die kein­er abräu­men kann. Denn nur, wenn das Schiff mit Fracht in Bewe­gung ist, kann es Umsatz erwirtschaften. Liegezeit­en dage­gen sind teuer und sinn­los.

Doch genau das, das lange Warten, passiert derzeit hun­derten Kapitä­nen in den Übersee­häfen Antwer­pen und Rot­ter­dam. Es sind aber nicht die großen Pötte, die lei­den, son­dern die kleinen Kähne, die der Bun­desver­band der Deutschen Bin­nen­schif­fer (BDB) ver­tritt. „Verbindliche Abfer­ti­gung­ster­mine gibt es nicht mehr,“ klagt ein Sprech­er. Die Abfer­ti­gung ger­ate „zunehmend zum Desaster“.

Was ist da los, im größten Stückguthafen der Welt (Antwer­pen) und im größten Tiefwasser­hafen Europas (Rot­ter­dam)?

Laut BDB kom­men die Lade­ter­mi­nals bere­its seit Mai mit der Abfer­ti­gung nicht mehr hin­ter­her. Sowohl bei aus­ge­hen­den Verkehren in Rich­tung Übersee, als auch bei der Ver­schif­fung von Con­tain­ern ins Hin­ter­land werde an den Con­tain­er­an­la­gen „nur noch mit mehrtägiger Ver­spä­tung“ abge­fer­tigt. Laden und Löschen der Fracht betrage im bel­gis­chen Antwer­pen bis zu 96 Stun­den, im nieder­ländis­chen Rot­ter­dam sog­ar bis zu 120 Stun­den – fünf Tage! Und das sei „seit Monat­en Real­ität“, weiß das Ham­burg­er Abend­blatt zu bericht­en.

Die unternehmerisch schw­er erträglichen Zustände sind Auswirkun­gen der weltweit­en Schiff­fahrt­skrise und des Ver­suchs, diese zu über­winden. Denn angesichts immer größer­er Schiffe und immer bil­liger­er Frach­trat­en ste­ht zahlre­ichen Reed­ereien das Wass­er bis zum Hals. Deshalb hat in der glob­alen Reed­ereiszene eine mas­sive Neuord­nung einge­set­zt: Fusio­nen und Unternehmen­sal­lianzen wer­den derzeit fast im Wochen­takt gemeldet. Erst vor weni­gen Tagen verkün­dete Chi­nas Staat­sreed­erei COSCO den Kauf des Konkur­renten OOCL aus Hongkong, was bei einem Kauf­preis von fast fünf Mil­liar­den Euro den weltweit drittgrößten Schiffs­be­treiber schafft.

Zuvr hat­te schon die Nr. der Welt, Maer­sk (Däne­mark) die jahrzehn­tealte Tra­di­tion­sreed­erei Ham­burg-Süd geschluckt. Beim deutschen Großschif­fer Hapag Lloyd sitzen längst Araber und Chile­nen mit im Boot. Und der soeben neu gegrün­dete Ver­bund OCEAN Alliance beste­ht aus gle­ich fünf bis­lang allein operieren­den asi­atis­chen Großkalibern. Nur drei Beispiele.

Die größer gewor­de­nen Schiff­sun­ternehmen verur­sachen nun in Ziel­häfen wie Antwer­pen und Rot­ter­dam erhe­bliche Prob­leme. Weil Großfrachter heutzu­tage bei Abfahrts- und Ankun­ft­szeit auf Stun­den­ge­nauigkeit getak­tet fahren, sind die Liege­plätze in den Häfen auf Monate – ja, sog­ar auf Jahre — im Vorauson time reserviert. Und damit ein Rat­ten­schwanz an dazuge­höriger Logis­tik wie Krangerät, Con­tain­er­stell­flächen oder Ladungsper­son­al.

Dass die minu­tiösen Pla­nun­gen der See­häfen nun qua­si über Nacht zur Maku­latur wer­den und damit auch die Fahr- und Lieferzeit­en der Bin­nen­schiff­fahrt ins Chaos stürzen, ist die Folge der oft­mals extrem kurzfristig beschlosse­nen Reed­ereikon­so­li­dierun­gen. Deren Sinn sind unter anderem kostengün­stigere Fahrplan- und Ladung­sum­stel­lun­gen, also die Abwe­ichung vom Rou­tine­be­trieb. Das aber ist für die See­häfen ein Riesen­prob­lem, denn nicht nur in Europa kalkulieren sie mit Aus­las­tungsquoten von gut 90% – da bleibt kaum Bewe­gungs­frei­heit zur Vor­bere­itung flex­i­bler Arbeitss­lots, etwa mit Rück­sicht auf Bin­nen­schif­fer als die zulet­zt Geknif­f­e­nen.

Die wichtig­sten europäis­chen Ziel­häfen ver­suchen fieber­haft, der Lage Herr zu wer­den – offen­bar mit mehr oder weniger Erfolg. Gegenüber dem inter­na­tionalen Fach­magazin HANSA erk­lärt der Hafen Rot­ter­dam, trotz aller Anstren­gun­gen lasse sich die Warterei auf umgeleit­ete Ware „in den kom­menden Wochen“ wohl nicht abstellen. Aus Antwer­pen ver­lautet, eine Lösung für die gen­ervten Bin­nen­schif­fer werde sich erst „in den kom­menden Monat­en prak­tisch auswirken“.

Wenn zwei sich quälen, atmet der Dritte auf: laut HANSA „machen sich die deutschen Nord­see­häfen Bre­mer­haven, Ham­burg und Wil­helmshaven Hoff­nung, den europäis­chen West­häfen Ladung abnehmen zu kön­nen“. Sie fer­tigten Con­tain­er weit­er­hin wie gewohnt ab. Ins­beson­dere Ham­burg mit sein­er exzel­len­ten Hin­ter­lan­dan­bindung für Fluss- und Kanalschiffe sowie Schiene und Straße könne Zusatzgeschäfte machen.

Unter­dessen will der tonangebende nieder­ländis­che Bin­nen­schiffs-Oper­a­teur BCTN mit den See­häfen an „einem verbesserten Date­naus­tausch“ zur Prozess­beschle­u­ni­gung arbeit­en. Doch aus­gerech­net an der Infor­ma­tion­stech­nolo­gie kon­nte man vorige Woche able­sen, wie ver­wund­bar die Logis­tikin­dus­trie zu Wass­er inzwis­chen gewor­den ist. Der glob­ale Angriff auf die Com­put­er inter­na­tionaler Konz­erne hat­te auch den Seefahrt-Welt­mark­t­führer Maer­sk und sein nagel­neues Rot­ter­damer Automatik-Ter­mi­nal Maasvlak­te-II tage­lang ins Stock­en gebracht – was das sowieso schon vorhan­dene Durcheinan­der nicht ger­ade beseit­igte.

Dem BDB platzt unter­dessen der Kra­gen. Die bei ihm organ­isierten Bin­nen­reed­er beklagten „Fol­gekosten durch ver­passte Seeschiff­s­ab­fahrten bzw. ver­spätete Gestel­lun­gen von Con­tain­ern“. Die Wartezeit­en beim Umschlag seien unzu­mut­bar, weil die Fluss- und Kanal­fahrt den Kun­den gegenüber keine Ein­hal­tung ihrer eige­nen Fahrpläne mehr garantieren könne. Man sei nicht bere­it, entste­hende Mehrkosten zu schul­tern. Eine Lösung müsse „zeit­nah“ her. Allerd­ings: auch Häfen kön­nen nicht zaubern.